Die Grundsteuer-Affäre von Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut überschattet die OB-Wahl in Balingen. Auch in Albstadt gibt es einen Wachwechsel – es sei denn, es passiert dasselbe wie vor acht Jahren.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Es ist eine der kuriosesten Oberbürgermeisterwahlen des vergangenen Jahrzehnts in Baden-Württemberg gewesen: Obwohl der einzige offizielle Gegenkandidat nur rund zehn Prozent der Stimmen erhielt, reichte es dem Amtsinhaber Jürgen Gneveckow (CDU) vor acht Jahren in Albstadt (Zollernalbkreis) im ersten Wahlgang nicht zur absoluten Mehrheit. Der Grund: Mehr als 40 Prozent der Wähler hatten handschriftlich den Vorsitzenden der Freien-Wähler-Fraktion im Gemeinderat, Klaus Konzelmann, auf den Stimmzettel geschrieben. Der hatte eigentlich erklärt, kein Interesse an dem Amt zu haben. Im zweiten Wahlgang stand Konzelmann dann offiziell zur Wahl und siegte überlegen.

 

Jetzt hat der heute 60-Jährige wieder keine Lust auf eine Kandidatur, und diesmal will der vor zwei Jahren zum dritten Mal Verheiratete auch dabei bleiben. Den Wählern der 45 000-Einwohner-Stadt bietet sich gleichwohl am kommenden Sonntag dem Vernehmen nach eine ordentliche Auswahl. Neben dem Rechtsanwalt und CDU-Fraktionschef im Gemeinderat Roland Tralmer (55) kandidiert auch der Erste Bürgermeister Udo Hollauer (54) für Konzelmanns Nachfolge.

Der Abriss des Thalia-Theaters erhitzt die Gemüter

Interne Bewerbungen sind in baden-württembergischen Rathäusern kein Selbstläufer. Mit dem Slogan „Gutes besser machen“ will Hollauer, der den Freien Wählern nahe steht, einerseits den Amtsbonus nutzen, andererseits aber auch einen Neuanfang suggerieren. Im Wahlkampf musste er sich als Baubürgermeister vor allem für die bisherige Rathauspolitik rechtfertigen, für Preissteigerungen im Bausektor und auch für die Abrisspläne beim Thalia-Theater im Stadtteil Tailfingen.

Der Grünen-Stadtrat und Geschäftsführer eines Personaldienstleisters, Markus Ringle (52), der als dritter Kandidat auf dem Stimmzettel steht, hatte zuletzt für die Rettung des Veranstaltungsgebäudes gekämpft und fast 3000 Unterschriften gesammelt. Die Zukunft der Hallen ist eines der wenigen heißen Wahlkampfthemen in der Stadt. Vierter Bewerber ist der Immobilienmakler Thomas Wenske, der bei Wahlveranstaltungen vor einer großen medizinischen Katastrophe als Folge der Corona-Impfungen warnt. Allerdings kann er nicht an allen Podiumsdiskussionen teilnehmen. Sonntags geht er lieber zur örtlichen Veranstaltung der Corona-Spaziergänger.

In Balingen wird über die Wirtschaftsministerin diskutiert

Es ist eine gute, wenn auch zufällige Tradition auf der Zollernalb, dass am selben Termin auch in der Nachbarstadt Balingen gewählt wird. Dort wechselt der Amtsinhaber Helmut Reitemann (CDU) in den Ruhestand. Stimmung kam in den Wahlkampf zuletzt durch einen Youtuber. Er deckte auf, dass dem Villen-Grundstück der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) vom örtlichen Gutachterausschuss für die Grundsteuer ein geradezu lächerlich niedriger Betrag zugeordnet wurde.

Ob diese „Affäre“ dem CDU-Kandidaten Dirk Abel (45) schadet, wie der Youtuber nahelegte, muss sich zeigen. Zwar unterstützt Hoffmeister-Kraut Abel, der als Leiter der Presseabteilung im Tübinger Regierungspräsidium arbeitet. Der sieht sich davon aber vollständig unbelastet. „Das ist doch überhaupt kein Balinger Wahlkampfthema“, sagte Abel. Der örtliche SPD-Chef Joke Herth sieht es nicht anders – zumal der Fauxpas von der Stadt mittlerweile behoben wurde.

Die Kandidatin trägt einen bekannten Namen

Allerdings schickt die SPD eine eigene Kandidatin mit einem in Balingen durchaus bekannten Namen gegen Abel ins Rennen. Die 50-jährige Sybille Fleischmann, die zuletzt für eine Nichtregierungsorganisation in der Ukraine Bildungsarbeit geleistet hat, ist die Tochter des einstigen SPD-Oberbürgermeisters Eugen Fleischmann. Zudem hat der Grünen-Fraktionschef im Gemeinderat, Erwin Feucht (62), der für seine Partei schon erfolglos für den Landtag und den Bundestag kandidiert hat und in der Gastronomie arbeitet, seine Kandidatur erklärt.

Komplettiert wird das Feld von einem Polizeibeamten, der sich um die Sicherheit sorgt, einem Elektriker, der die Mär verbreitet, Fotovoltaikanlagen verbrauchten bei der Herstellung mehr Energie als sie später erzeugten, und einem allein erziehender Vater, der von seinem Vermögen lebt und bei der vergangenen Kommunalwahl auf der Liste der AfD in den Kreistag eingezogen ist.

Und schließlich ist da noch Dominik Ochs, Kreisvorsitzender der Satirepartei „Die Partei“, der verspricht, für seine „Untertanen stets eine offene Bürotür“ zu haben. Sollte an den Vorwürfen gegen Hoffmeister-Kraut jedoch etwas dran sein, werde er der Erste sein, der mit „Fackel und Mistgabel“ vor ihrem Forsthaus stehe, sagte Ochs.