Doppelter Abijahrgang, rapide wachsende Unis und fehlende Infrastruktur: Bei einer Diskussion über den Hochschulstandort Stuttgart haben die OB-Kandidaten kräftig ausgeteilt – aber wenig Substanzielles geliefert.

Stuttgart - Doppelter Abijahrgang, rapide wachsende Hochschulen und fehlende Infrastruktur: eigentlich eine spannende Ausgangslage für eine Diskussion mit den OB-Kandidaten. Deshalb hatten Asta und Hochschulgruppen der Uni Hohenheim vier der potenziellen Stadtoberhäupter ins Euroforum geladen. Begründung: Zigtausende Studierende entscheiden bei der OB-Wahl mit. Doch das Publikumsinteresse hielt sich in Grenzen, der Saal war kaum zur Hälfte gefüllt. Und die Kandidaten lieferten wenig substanzielle Vorschläge. Doch der Schlagabtausch vermittelte durchaus einen Eindruck davon, wie Bettina Wilhelm, Sebastian Turner, Fritz Kuhn und Jens Loewe ticken.

 

Und dem Studenten der Kommunikationswissenschaft Markus Merkle wird seine Erfahrung als Moderator sicher in bleibender Erinnerung sein. Von Kuhn musste er sich belehren lassen, dass mit Grün-Rot die Regierungsverhältnisse keineswegs auf den Kopf gestellt worden seien, sondern „auf solide Füße“. Und Turner herrschte den Studenten an, er stelle die falschen Fragen. Die verfasste Studierendenschaft und die damit verbundene Stärkung ihrer Rechte sei für ihn kein zentrales Thema, so Turner. Sondern entscheidender sei doch die Leistungskraft einer Hochschule in Sachen Exzellenzforschung. „Die Uni Hohenheim hat das Kunststück hingekriegt, weder eine Graduiertenschule noch ein Exzellenzcluster zu bekommen“, mäkelte Turner. Erst als Merkle in Sachen verfasste Studierendenschaft insistierte, erklärte der Kandidat in Anspielung auf seinen Vater George, der von 1970 bis 1986 Präsident der Uni Hohenheim war und den Asta mit Polizeigewalt hatte räumen lassen: „Die Familie Turner hat hierzu einen kritischen Standpunkt, über alle Generationen.“ Mit solchen Familiengeschichten konnten die anderen Kandidaten nicht aufwarten.

Doch Kuhn und Wilhelm zeigten sich erwartungsgemäß erfreut über die gestärkten Mitspracherechte der Studierenden. Kuhn merkte jedoch an, das Problem sei, „dass Stuttgart nicht als Hochschulstandort auftritt“. Und die Lösung? Die Hochschulen müssten eben um ein Konzept ringen – „ich werde das, wenn ich OB werde, aufgreifen“, versprach Kuhn. Er räumte aber ein: „Die Hochschulkompetenzen des OB sind beschränkt.“ Auch Wilhelm plädierte für eine Stärkung des Hochschulstandorts, sagte aber nicht, wie.

Semesterticket zum Nulltarif

Zum Thema Mobilität merkte Turner an, der öffentliche Nahverkehr müsse besser vertaktet werden – „mit mehr Parkplätzen löst man das Problem nicht“. Auch Wilhelm plädierte dafür, stärker in den ÖPNV zu investieren, sie schlug ein „Metropolticket plus“ vor. Dass die Studierenden, wie eine Umfrage gezeigt habe, lieber mehr Parkplätze wollten, verwundere sie. Kuhn kritisierte das mit 184 Euro zu teure Semesterticket. Loewe setzte noch einen drauf und forderte einen Nulltarif. Beim Thema Wohnen sehen die Kandidaten in erster Linie das Studentenwerk in der Pflicht, das, so Turner, in Geld ja nur so schwimme, aber wenig zuwege bringe. Um mehr privaten Wohnraum nutzbar zu machen, schlug er Untermietverhältnisse mit Haushaltsunterstützung vor. Wilhelm setzt indessen auf stärkeren sozialen Wohnungsbau, während Kuhn für neue Wohnheime auf den Fildern plädierte sowie dafür, dass ein OB „mit Autorität und Überzeugungskraft“ auf private Vermieter zugehen müsse.Das Thema Bürgerbeteiligung driftete rasch in ein S-21-Geplänkel ab. Turner bezeichnete den Filderdialog als Beschäftigungstherapie, Loewe kritisierte Schusters Privatisierungsagenda, Wilhelm warb für gutes Timing und die Aufgabe, auch bildungsferne Bürger einzubeziehen, Kuhn verteidigte den Kurs der Landesregierung. Fürs Warmreden erhielten die Diskutanten Hochprozentiges: „Nicht von einer Eliteuni – aber ein hervorragender Schnaps“, wie Sebastian Kern vom Asta anmerkte.