OB zum geplanten Ganser-Auftritt in Leinfelden „Ich halte mich ans Grundgesetz“

OB Roland Klenk fühlt sich „auch innerlich stark“, weil er überzeugt sei, „das Richtige zu tun“. Foto: Caroline Holowiecki

Im Mai wird in der kommunalen Filderhalle der umstrittene Historiker Daniele Ganser auftreten. OB Roland Klenk verteidigt die Entscheidung.

Der Historiker Daniele Ganser ist bereits im Zusammenhang mit Verschwörungsmythen aufgefallen, in Leinfelden wird er dennoch zum Ukraine-Krieg referieren. Wie sieht der OB Roland Klenk den Fall, der für so viel Aufruhr sorgt?

 

Herr Klenk, seit Wochen schwelt der Streit um den Auftritt von Daniele Ganser. Hat die Heftigkeit der Debatte Sie überrascht?

Herr Dr. Ganser war mir kein Begriff bis zu dem Tag, an dem mich eine Mail eines Mitbürgers erreicht hat, der von dieser Veranstaltung wusste und sich gegen die Zurverfügungstellung der Halle ausgesprochen hat. Da habe ich erst begonnen, mich mit Dr. Ganser zu beschäftigen, auch eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir sind unabhängig voneinander zum Schluss gekommen: Keiner macht sich gemein mit Herrn Ganser, aber alle haben gesagt, das muss im Rahmen der Meinungsfreiheit möglich sein. Ich habe mir stundenlang Youtube-Videos angeguckt. Was ich dort gesehen habe, mag für viele schmerzlich sein, aber es ist nach meiner festen Überzeugung vom Grundgesetz nach Artikel 5 gedeckt.

Poltawa ist Ihre Partnerstadt. Haben Sie Bauchschmerzen, wenn in L.-E. ein Referent auftritt, den viele Putin-Versteher nennen?

Frau Wagenknecht und Frau Schwarzer haben jetzt mit großem öffentlichen Brimborium durchaus auch in die Richtung Töne losgelassen. Und ich sage, worum es im Kern geht: Kann ich jemandem verbieten, der Meinung zu sein und diese auch zu äußern, dass außer Russland auch noch Andere Ursachen gesetzt haben für diesen Krieg? Ich meine nein. Ich habe Bauchschmerzen, wenn gegen das Grundgesetz verstoßen wird. Die anderen Bauchschmerzen interessieren hier nicht.

Bürger in L.-E. interessiert aber womöglich, wie Sie sich zu den Thesen Gansers positionieren.

Als Oberbürgermeister habe ich hier eine Entscheidung der Verwaltung zu treffen beziehungsweise in dem Fall eine Entscheidung der Filderhalle nachzuvollziehen und für mich zu entscheiden, ob ich diese Entscheidung für richtig halte oder nicht. Das ist der Maßstab, nicht meine persönliche Meinung zu Herrn Gansers Thesen.

Dortmund oder Nürnberg haben die Auftritte abgesagt.

Ich habe das Handeln von anderen Kollegen nicht zu beurteilen. Die Auftritte sind dort nicht aus rechtlichen Gründen, sondern auf politischen Druck hin abgesagt worden. Ich halte mich ans Grundgesetz. Da muss ich dann auch, das ist jetzt der Fall, politischen Druck aushalten. Wir haben nirgendwo einen Rechtsverstoß feststellen können, und polizei- und ordnungsrechtlich sind seine Veranstaltungen unauffällig. Ich kann’s nur noch mal sagen: Jedes Land, das sich zur Diktatur entwickelte, hatte damit begonnen, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Auch die Bürger, die gegen den Auftritt sind, haben das Recht auf Meinungsfreiheit. Das würde ich genauso schützen.

In den AGBs der Filderhalle steht, man sei zum Vertragsrücktritt berechtigt, wenn „durch die beabsichtigte Veranstaltung (…) eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder eine Schädigung des Ansehens (...) der Stadt“ zu befürchten sind. Ist das nicht eingetreten?

Ob die Stadt Schaden nimmt, wenn sie sich zum Grundgesetz bekennt und einem durchaus umstrittenen Menschen die Möglichkeit bietet, das zu sagen, was er den Leuten sagen will? Interesse besteht ja offensichtlich dran. Wissen Sie, diese ganze Diskussion gefällt mir nicht. Warum fragt man sich nicht auch einmal, warum es solche Menschen gibt und warum sie eine Halle nach der anderen füllen? Ruckzuck ausverkauft.

Wie beantworten Sie die Frage?

Meine Erklärung ist, weil die Politik wesentliche Lebensfragen der Menschen nicht löst. Beispiel Rente. Pflege. Miete. Flüchtlinge – jetzt kommen sogar aus der Ecke der Grünen nennenswerte Stimmen, die hier nicht mehr länger zugucken wollen. Merken Sie nicht, dass es eine große Zahl hier im Volk gibt, die verunsichert sind, die Existenzängste bekommen? Da muss man sich nicht wundern, wenn einer kommt und ihnen die Welt mit einfachen Worten erklärt.

Lösungen kann aber auch Ganser nicht anbieten. Befürchten Sie keine Radikalisierung bei Menschen, die, wie Sie implizieren, Ängste haben?

Versuchen Sie, sich in die Situation der Leute zu versetzen, die Karten für die Veranstaltung gekauft haben. Wenn man das jetzt absagt, dann sagen die: Ich habe jetzt 30 Euro ausgegeben und bin eigentlich interessiert an dem, und jetzt wird auf politischen Druck abgesagt. Was macht das mit den Leuten?

Derweil haben Ganser-Gegner eine Infoveranstaltung initiiert. Unter anderem Michael Blume, der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, wird sprechen. Werden Sie hingehen?

Nein. Schon lang geplant bin ich da nicht in der Stadt. Und zu Herrn Blume, der ja, wie ich inzwischen weiß, selbst ungestraft Antisemit genannt werden darf nach einem Landgerichtsurteil aus Hamburg, frage ich mich schon, wie gerade er als Beamter oder Angestellter des Landes dazu kommt, einer unbescholtenen Stadt wie unserer in diesem Fall legalistisches Handeln vorzuwerfen. Wissen Sie, was das heißt, legalistisches Handeln? Kleingeistige Paragrafenreiterei. Der muss sich auch mal fragen, wo seine Aufgabe ist.

Fühlen Sie sich zu Unrecht kritisiert?

Nein, ich kann das ja nachvollziehen. Gut, wenn ich mich kritisiert fühlen muss, wenn ich dem Grundgesetz nach meiner festen Überzeugung zur Geltung verhelfe, dann fühle ich mich schon zu Unrecht kritisiert, aber mir war das schon klar bei der Entscheidung. Im Übrigen, von den ganzen Mails, die ich bekommen habe, sind drei Viertel positiv und sagen: Herr Klenk, danke, dass Sie da standhaft sind. Ich fühle mich auch innerlich stark, weil ich überzeugt bin, hier das Richtige zu tun. Man kann anderer Meinung sein, das räume ich ein, aber ich versuche, für meine Meinung zu werben. Und ich werde wohl auch dabei bleiben, wenn sich bei den Tatsachen nichts ändert.

Zur Person

Vita
Roland Klenk ist seit 2002 der Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen. Seine dritte Amtszeit hat er Ende 2017 begonnen, nachdem er mit 88,24 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden war. Zuvor war er Erster Bürgermeister in Lahr gewesen. Von Haus aus ist er Jurist. Der CDU-Politiker hat zwei Söhne, ein Enkelkind und ist geschieden. Am 1. März feiert er seinen 71. Geburtstag.

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