US-Präsident ist Barack Obama schon lange nicht mehr, doch Superstar ist er geblieben. Jetzt ist der Politpromi wieder nach Berlin gekommen. Und doch ist nichts mehr, wie es war.

Berliner Büro: Rebekka Wiese (rew)

Sie hatten sich mehr erhofft, besonders für den Preis. Jetzt sitzen sie auf gepolsterten Metallstühlen in einer Halle, die am frühen Abend noch halb leer ist: sie, 61 Jahre alt, er, 63 Jahre, ein Ehepaar in Turnschuhen, das seinen Namen an diesem Abend lieber nicht sagen will. Sie sind hier, um einen der bekanntesten Politiker der Welt zu sehen: Barack Obama, 44. Präsident der USA, Demokrat und Friedensnobelpreisträger, tritt an diesem Mittwochabend in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin auf. In einem riesigen Stadion, in dem normalerweise Popstars wie Herbert Grönemeyer oder Helene Fischer spielen.

 

760 Euro hat das Paar für diesen Abend ausgegeben, 380 Euro pro Person, sie zieht die Tickets hervor, um den Preis zu zeigen. Einen besonderen Bezug zu den USA haben sie nicht. „Wir waren nur mal als Touristen da“, sagt er, sie fügt hinzu: „Aber man verfolgt ja das politische Geschehen.“

Ein warmer Sommerabend vor der Siegessäule

Dass das Paar hier ist, dass es so viel Geld ausgegeben, den Abend freigenommen hat, sagt vielleicht schon alles über das Verhältnis der Deutschen zu Barack Obama, was man wissen muss. Barack Obama und die Deutschen, das ist eine Geschichte, die ihren Höhepunkt schon fand, bevor sie eigentlich losging. 2008 war das, als Präsidentschaftskandidat reiste Obama damals nach Berlin und trat vor der Siegessäule auf. Es war ein warmer Sommerabend, die Leute trugen T-Shirts mit Obamas Namen, und sie kamen in Massen – 200 000 Menschen. Ein historischer Moment, der den Ex-Präsidenten und die Hauptstadt bis heute verbindet.

Jetzt ist Obama zurück in Berlin. Doch wer ihn sehen will, der muss dieses Mal bezahlen. Zwischen 500 und 600 Euro kostet ein VIP-Ticket, für 2500 Euro kann man ein Selfie mit Obama buchen. Das Ehepaar, das sich etwas mehr erhofft hatte, darf für 380 Euro in einer der vorderen Reihen sitzen. Die günstigsten Tickets haben 20 Euro gekostet, dafür gibt es Plätze hinten am Rand. Der Abend in Berlin ist einer von drei Aufritten, für die Obama eine knappe Woche lang durch Mitteleuropa tourt. Am Samstag war er schon in Zürich, am Montag in Amsterdam. Berlin bildet den Abschluss.

Nur 6700 Tickets im Umlauf

Klar ist aber auch: Die Zeiten, in denen Barack Obama Hallen füllen konnte, sind vorbei. Mit 11 000 Personen pro Veranstaltung plant die Mercedes-Benz-Arena normalerweise, ist zu hören. Doch so viele Leute kommen an diesem Abend nicht. Gut 6700 Tickets sind ausgegeben worden, heißt es, bezahlt wurden davon etwa 4100. Die anderen gehen als Gästelisten-Plätze raus, werden verlost oder verschenkt.

Knapp sieben Jahre ist es her, dass Obama Präsident der USA war. Es war eine Zeit, in der man manchmal glauben konnte, die USA hätten geschafft, der Staat zu sein, von dem der amerikanische Traum schon immer erzählte: ein Land der Chancengleichheit, der Diversität, der Offenheit. Ein Land, in dem es jeder schaffen kann, der es nur will.

Nicht mehr die Demokratie, die es mal war

Doch dann kam Donald Trump. Mit ihm folgte ein Rechter, ein Populist, ein Möchtegern-Autokrat als US-Präsident. Das lässt auch Obamas Amtszeit im Rückblick weniger strahlend erscheinen. Seitdem am 6. Januar 2021 gewaltsame Trump-Anhänger das Kapitol in Washington stürmten, ist auch klar, dass die USA nicht mehr die gefestigte Demokratie sind, die sie einmal waren. Dabei ist sie es doch, die Deutschland und die USA seit 1945 miteinander verbindet.

Inzwischen regiert Joe Biden die USA, der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama, ein Mann von 80 Jahren. Doch bis jetzt ist nicht ausgeschlossen, dass Trump bei den Präsidentschaftswahlen 2024 erneut gewinnen könnte – auch wenn es als unwahrscheinlich gilt. Und ganz gleich, wer nun das Land reagiert: Allein, dass eine Trump-Herrschaft von weiten Teilen der US-amerikanischen Bevölkerung gewollt war, hat den deutschen Blick auf den Verbündeten verändert.

Eine große Show

Die Leute, die an diesem Abend in die Mercedes-Benz-Arena gekommen sind, wollen vielleicht noch einmal träumen. Und das soll ihnen leicht gemacht werden. Der Abend ist keine politische Veranstaltung. Er ist eine Show – mit allem, was dazugehört: einer riesigen Bühne, blauem Scheinwerferlicht und Lautsprechern, die manchmal so laut tönen, dass es in den Ohren wehtut. Auch der Moderator ist ein Mann mit Show-Erfahrung: Klaas Heufer-Umlauf, einer der bekanntesten Unterhalter des deutschen Fernsehens.

Und natürlich gibt es auch ein Vorprogramm. Cassandra Steen tritt auf, eine Sängerin, die in den nuller Jahren mit deutschsprachigen Pophits mehr oder weniger bekannt wurde, außerdem Nigel Kennedy, ein britischer Geiger. Dazwischen kommt ein Panel auf der Bühne zusammen, das über Bildung und Chancengleichheit diskutieren soll. In der Runde sitzen prominente Expertinnen wie Jutta Allmendinger, Mo Asumang und Düzen Tekkal. Doch Heufer-Umlauf moderiert so lieblos, dass kein echtes Gespräch entsteht. Was wohl niemanden stört: Die Gäste klatschen sich gegenseitig zu, zwischendurch gibt es Applaus vom Publikum.

Der Stargast

Anderthalb Stunden dauert es, bevor Obama die Bühne betritt. Einige Besucher springen sofort auf, um ihm stehend zu applaudieren. Der ehemalige US-Präsident tritt hier nicht als Politiker auf. Er kommt als Star. Er winkt und lacht, dann setzt er sich in einen Sessel neben Heufer-Umlauf. Es sieht aus wie bei einem Interview, nur dass es keines ist. Zu lasch sind die Fragen, die Heufer-Umlauf dem Stargast zuwirft. Der Moderator ist nicht mehr als ein Stichwortgeber für den nächsten Obama-Monolog.

Über Leadership spricht Obama an diesem Abend viel, über seine Rolle als Führungsfigur. Darüber, wie wichtig es ist, ein diverses Team zu haben, seine eigenen Schwächen zu erkennen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Denjenigen zuzuhören, die oft nicht zu Wort kämen – Frauen zum Beispiel, aber auch jungen Menschen.

Keine kritischen Fragen

Politisch kommt Obama immer wieder darauf zurück, dass sich die Bedrohung der Demokratie verschoben habe: „Die Herausforderung liegt nicht mehr in einem äußeren Feind, wie es während des Kalten Kriegs war“, sagt Obama. Man habe es stattdessen mit einer Gefahr von innen zu tun: der Spaltung der Gesellschaft. Er spricht über soziale Medien und Fake News, über Künstliche Intelligenz; darüber, wie sie den Diskurs verändert haben und weiter beeinflussen könnten. Um kritische Fragen geht es hingegen nicht. Die NSA-Affäre, Afghanistan, das Gefängnis in der Guantánamo-Bucht, das alles findet hier nicht statt.

Je länger Obama spricht, desto stärker fällt auf, dass er nicht mehr die Präsenz hat, für die er mal bekannt war. Barack Obama, das war mal der Mann für Zukunft. Jetzt wirkt er wie ein Typ aus einer anderen Zeit. Wie eine historische Figur, an die man gern zurückdenkt – aber die in der Gegenwart nicht so hell leuchtet, wie man sich zu erinnern meinte. Das findet auch das Ehepaar, das 760 Euro für seine Tickets ausgegeben hat. „Irgendwie hat er an Strahlkraft verloren“, sagt sie später am Abend, ihr Mann nickt dazu. Gefallen habe es ihnen trotzdem.

„Get out of the way!“

Ziemlich genau eine Stunde dauert das Gespräch auf der Bühne. Obama lässt es mit einem Appell an die alte Generation enden und wird dabei sehr deutlich: „Get out of the way!“, ruft er. „Macht den Weg frei!“ Gut möglich, dass er dabei an Joe Biden denkt. Vielleicht aber auch an sich selbst. Dann steht er auf und geht.