Erstmals seit 1998 bleibt Moskau außen vor. Das G7-Treffen, ein Krisengipfel. Auf Obamas Ruf beraten die führenden Industrienationen über eine Antwort auf die russische Annexion der Krim. Dort sind die Machtverhältnisse längst geklärt - in Putins Sinne.

Erstmals seit 1998 bleibt Moskau außen vor. Das G7-Treffen, ein Krisengipfel. Auf Obamas Ruf beraten die führenden Industrienationen über eine Antwort auf die russische Annexion der Krim. Dort sind die Machtverhältnisse längst geklärt - in Putins Sinne.

 

Den Haag/Kiew - Die Krim-Krise spaltet die internationale Gemeinschaft: Als G7 unter Ausschluss Russlands wollten die führenden Industriestaaten bei einem Krisengipfel in Den Haag nach einer Antwort auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Moskau suchen. US-Präsident Barack Obama, unter dessen Regie das Sondertreffen stattfindet, gab sich bei seinem Eintreffen in den Niederlanden überzeugt, dass Wirtschaftssanktionen des Westens erhebliche Folgen für Russland hätten. Der Kreml zeigte sich allerdings unbeeindruckt: Präsident Wladimir Putin schafft auf der Krim weiter Fakten.

Die Staats- und Regierungschefs der G7 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA) wollten am Abend (18.30 Uhr) am Rande eines Gipfels über den Schutz von Nuklearmaterial zusammenkommen. „Europa und Amerika sind einig in unserer Unterstützung der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Volkes“, sagte Obama nach einem Treffen mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte in Amsterdam. „Wir sind einig darin, dass Russland für sein bisheriges Handeln bezahlen muss.“

Russland hat inzwischen vollständig die Hoheit über die Krim inne. Nachdem russische Truppen die militärische Kontrolle auf der Halbinsel übernommen hatten, ordnete die Ukraine den vollständigen Abzug ihrer Streitkräfte an. Die Truppen würden ins Kernland verlegt, sagte Übergangspräsident Alexander Turtschinow in Kiew, wie örtliche Medien berichteten. Auch die Angehörigen der Soldaten und andere Zivilisten in Not sollten in Sicherheit gebracht werden.

Am Morgen hatten russische Soldaten mit schwerem Militärgerät und Kampfhubschraubern einen der letzten ukrainischen Stützpunkte auf der Krim eingenommen. 60 bis 80 ukrainische Soldaten seien festgenommen und der Kommandeur mit einem Hubschrauber fortgebracht worden, teilte der ukrainische Armeesprecher Wladislaw Selesnjow mit. Zuvor hatte Russland die Ukrainer zum Abzug von der Krim aufgefordert.

Am Montag wurde auf der Krim der Russische Rubel zusätzlich zur ukrainischen Landeswährung Griwna eingeführt. Nun werden auch Gehälter und Sozialleistungen sowie Steuern in Rubel gezahlt. Als erstes russisches Regierungsmitglied traf Verteidigungsminister Sergej Schoigu auf der Krim ein. Der moskautreue Vizeregierungschef der Krim, Rustam Temirgalijew, warf der Ukraine vor, die Stromversorgung zu kappen. Nur etwa 50 Prozent des vereinbarten Lieferumfangs kämen im Moment auf der Krim an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich vor dem G7-Treffen beunruhigt über die Präsenz russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine. „Eine Massierung der Truppen in dieser Region kann nicht als Bemühung um Entspannung verstanden werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dies habe Merkel am Sonntagabend in ihrem Telefongespräch mit Putin deutlich gemacht.

Deutsche Unternehmen legen Investitionen in Russland auf Eis

Obama besuchte in Amsterdam zunächst das Reichsmuseum, von dort reiste er nach Den Haag weiter. Bei einem Treffen mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping lobten beide Seiten die Fortschritte im amerikanisch-chinesischen Verhältnis. Jüngste Vorwürfe, wonach der US-Geheimdienst NSA systematisch chinesische Ministerien, Banken und Firmen ausgeforscht haben soll, kamen öffentlich nicht zur Sprache.

An dem G7-Treffen sollten neben Obama und Merkel Frankreichs Präsident François Hollande sowie die Ministerpräsidenten von Kanada, Großbritannien, Japan und Italien teilnehmen. Erwartet wurde, dass sie Russland davor warnen, die Lage weiter zu destabilisieren und etwa Truppen in den Osten der Ukraine zu schicken.

Zudem dürften sie bestätigen, dass die G8-Gruppe unter Einschluss Russlands bis auf weiteres nicht mehr besteht. Russland ist zum ersten Mal seit seinem Beitritt zu der Runde 1998 nicht eingeladen, obwohl Moskau in diesem Jahr die G8-Präsidentschaft innehat.

Eigentlich hatte Anfang Juni im russischen Sotschi der nächste G8-Gipfel stattfinden sollen. Der Westen hatte die Vorbereitungen dafür aber schon kurz nach der russischen Militäraktion auf der Krim ausgesetzt. In der Erklärung der G7, die für den Abend erwartet wurde, dürfte es auch um eine formelle Absage von Sotschi gehen.

Beim dritten Weltgipfel zur nuklearen Sicherheit ist Russland durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten. Staats- und Regierungschefs von 53 Staaten beraten über den Schutz von Nuklearmaterial vor Terroristen und Verbrechern. Zum Auftakt verwies Rutte darauf, dass noch immer 2000 Tonnen waffenfähiges Material im Umlauf seien.

Angesichts der Krim-Krise legen deutsche Unternehmen Investitionen in Russland auf Eis. „Wir hören von der Auslandshandelskammer in Moskau, dass Investitionen zumindest verschoben werden“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DIHK, Volker Treier, im ARD-„Morgenmagazin“. Auch deutsche Banken stuften Russland inzwischen als riskanteren Geschäftspartner ein und vergäben weniger Kredite. Der Rubel hatte zuletzt deutlich nachgegeben.