Vor 50 Jahren hat der junge amerikanische US-Präsident John F. Kennedy die Berliner mit seiner Rede in eine Begeisterung versetzt, die sogar in selbst überraschte.

Berlin - Am Vormittag des 26. Juni 1963 landete die Air Force One des amerikanischen Präsidenten in Berlin-Tegel. Es war die letzte und zugleich heikelste Station von John F. Kennedys dreitägiger Deutschlandreise. Schon im Vorfeld hatte es Spannungen gegeben wegen des Empfangsprotokolls. Sollte neben der amerikanischen auch die deutsche Nationalhymne gespielt werden oder auch die französische? Der Flughafen Tegel, den die Alliierten extra für ihre Transportflugzeuge gebaut hatten, lag in der französischen Zone, weshalb Kennedy zuerst vom französischen Stadtkommandanten begrüßt wurde. Am Ende wurde keine Nationalhymne gespielt, sondern ein amerikanischer Militärmarsch und die „Berliner Luft“.

 

Kennedys Deutschlandreise, die kein offizieller Staatsbesuch war, ging zurück auf Einladungen von Willy Brandt und Konrad Adenauer. Die Reise wurde minutiös vorbereitet, aber die Begeisterung der Deutschen, die dem jungen Präsidenten entgegenschlug, machte alle Überlegungen der Sicherheitsexperten gegenstandslos. Kennedys bedeutsamster Auftritt im Westen war eine Rede in der Frankfurter Paulskirche. Er beschwor die atlantische Gemeinschaft und sagte auch einen Satz, der für die Zukunft hätte wichtig werden können, aber leider in Vergessenheit geriet: „Die großen freien Nationen dieser Welt müssen ihre Finanzprobleme kontrollieren, bevor diese Probleme uns kontrollieren.“ Heute erinnert man sich wieder an sein wirtschaftspolitisches Vermächtnis.

Die geteilte Stadt als Brennpunkt des Kalten Krieges

Aber eigentlich war Kennedy wegen Berlin nach Deutschland gekommen. Die geteilte Stadt war der Brennpunkt des Kalten Krieges, ihr freier Teil mitten in der DDR stets gefährdet. Das Berlin-Problem stand Kennedys neuer Politik der Entspannung zwischen den Supermächten im Wege. Dieser strategische Wandel hatte die scharfe Kritik Adenauers hervorgerufen. Ohnehin hielt er den 42 Jahre jüngeren Präsidenten für eine „Kreuzung von Marinekadett und Pfadfinder“. Umgekehrt sah Kennedy in Adenauer ein reaktionäres Relikt, mit dem eine neue Politik kaum möglich sein würde.

Als bei einem Treffen in Wien Nikita Chruschtschow androhte, auch die Westsektoren in die DDR einzubeziehen, zog sich Kennedy auf die Linie zurück: Macht mit Ost-Berlin, was ihr wollt, aber tastet unsere Rechte nicht an. Erstmals war nur noch von „West-Berlin“ die Rede. Aufgrund dieser neuen Strategie reagierten die USA zum Verdruss der Berliner auf den Mauerbau sehr lau. „Eine Mauer“, sagte Kennedy 1961, „ist verdammt viel besser als ein Krieg.“ Washington sah in der Mauer eine Lösung der Flüchtlingskrise. Willy Brandt hingegen sprach von einer „schweren Vertrauenskrise“. Zur Beruhigung schickte Kennedy den Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson und den Justizminister Robert Kennedy in die Frontstadt des Westens.

De Gaulle gab den Ausschlag für Kennedys Besuch

Den eigentlichen Ausschlag für Kennedys Besuch hatte der französische Staatspräsident Charles de Gaulle gegeben. Der Jubel bei dessen Deutschlandreise im September 1962 erregte in Washington Missfallen. Bestand da eine Gefahr für das westliche Bündnis? Zerfiel es in Gaullisten und Atlantiker? Aufmerksam registrierte man, dass der französische General Berlin ausgespart hatte. Das war die Chance für die Amerikaner. Doch was dann kam, hatten auch sie nicht voraussehen können. Die West-Berliner wussten, wer ihre eigentliche Schutzmacht war, und der sympathische Präsident war deren Verkörperung. Die Fahrt durch die Stadt wurde zu einem Triumphzug. Alle Kritik, aller Ärger war vergessen.

Den Höhepunkt bildete Kennedys Rede vor dem Schöneberger Rathaus. An die 450 000 Menschen drängten sich auf dem Platz. Zuvor waren Kennedy und seine Begleiter zum Checkpoint Charly gefahren, dem Grenzübergang, wo sich Ost und West quasi schussbereit gegenüberstanden. Der Präsident hatte diesen Schauplatz mit ernster Miene verlassen. Nun aber, vor dem Rathaus, erfasste auch ihn die Begeisterung der Menge. Er steckte seine vorbereitete Rede weg und klagte die kommunistische Welt an. Die Mauer, sagte er, sei ein Ausweis des Scheiterns. „Wir im Westen hatten es nie nötig, eine Mauer zu bauen, um unsere Leute daran zu hindern, woanders hinzugehen.“ Dann fiel der Satz, der in die Geschichte eingehen sollte: „Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: Ich bin ein Berliner.“ Damit wurde West-Berlin quasi zu einer amerikanischen Stadt.

Der Jubel war derart groß, dass Kennedy später mit leisem Grauen eingestand, dass er die Menge hätte bewegen können, zur Mauer zu strömen und diese niederzureißen. Adenauer war von dem antikommunistischen Tonfall der Rede begeistert, Brandt hingegen verärgert. Er wusste, dass drei Wochen später Egon Bahr in Tutzing Brandts neue Ostpolitik vorstellen würde, die auf „Wandel durch Annäherung“ hinauslief. Aber bei seinem Auftritt in der Freien Universität bekräftigte Kennedy, dass er an der Entspannungspolitik festhalten werde. Brandt war beruhigt.