Seit November sind in Stuttgart die Winternotunterkünfte für Obdachlose wieder geöffnet. Für Menschen mit Hund gibt es kaum Quartiere – selbst wenn es draußen bitter kalt ist.

Stuttgart - Martin Kikiny wirkt gepflegt, und er ist ausgesprochen höflich. Meist steht er in der Klettpassage in der Innenstadt. Dort verkauft der 63-Jährige von 9 bis 19 Uhr die Straßenzeitung Trottwar. Immer mit dabei ist sein Hund Benny. Kikiny hat ein Plakat aufgestellt: Darauf steht, dass er für sich und Benny eine Wohnung sucht, dass er einen Wohnberechtigungsschein hat und die Miete vom Jobcenter übernommen wird. „Trotzdem und obwohl ich bei Trottwar fest angestellt bin, finde ich keine Wohnung. Die Vermieter wollen keine Tiere im Haus“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Weil das so ist, übernachten er und Benny in Parks oder Unterführungen. Und warum nicht im Winternotquartier? „Da dürfen keine Hunde rein“, bedauert Kikiny.

 

In der Landeshauptstadt haben derzeit 3891 Männer und Frauen einen Platz in der Wohnungsnotfallhilfe. „In Stuttgart leben ein Drittel aller Wohnsitzlosen in Baden-Württemberg“, sagt Sozialamtsleiter Stefan Spatz. Vom 1. November bis etwa 31. März sind die Winternotquartiere mit 59 Plätzen in der Hauptstätter Straße und 44 Plätzen in der Villastraße geöffnet. Betrieben werden sie von der Evangelischen Gesellschaft und dem Caritasverband. Wird es eng, können etwa 15 Plätze in einer mittlerweile geschlossenen Unterkunft in der Leobener Straße in Feuerbach und weitere 25 Schlafplätze in einer ehemaligen Flüchtlingsunterkunft in der Gorch-Fock-Straße in Sillenbuch eingerichtet werden. Das reicht laut Spatz aus. „Erfrieren muss in Stuttgart niemand. Wir können unserer moralischen und gesetzlichen Unterbringungspflicht nachkommen“, versichert er.

Bis zu 80 Menschen übernachten auch im Winter im Freien

Dennoch übernachten jedes Jahr 50 bis 80 Menschen selbst bei Minustemperaturen im Freien. „Diese Menschen können oder wollen nicht in Notquartieren übernachten“, so Spatz. Oder aber sie besitzen wie Martin Kikiny einen oder sogar mehrere Hunde und dürfen mit ihnen nicht in die Unterkünfte. „Die Übernachtung mit Hund ist die absoluten Ausnahme, weil die Bewohner in den Winternotquartieren in Mehrbettzimmern untergebracht sind und viele Angst vor Hunden haben“, sagt Spatz.

Ausnahmen machen die Frauenpensionen der Caritas im Veielbrunnenweg und in der Kegelenstraße in Bad Cannstatt. Sie bieten zwar keine Winternotquartiere. Aber dort dürfen in je drei Einzelzimmern Frauen ohne festen Wohnsitz mit Hund langfristig einziehen. Derzeit sind alle Zimmer sind belegt – und die Warteliste ist lang. Mit einem Jahr müssen die Hundebesitzerinnen mindestens rechnen. „Der Bedarf für ein solches Angebot ist groß“, sagt Manfred Blocher von der Caritas. Er stimmt aber dem Sozialamtsleiter zu, dass die Unterbringung mit Hund in der Praxis schwierig ist. Weil manche Bewohnerinnen tatsächlich Angst vor Hunden hätten, sind die drei Zimmer für Hundebesitzerinnen im Veielbrunnenweg im Erdgeschoss.

Auch Mops Hondo ist mit seinem Frauchen bei der Caritas untergebracht – in der Keglenstraße. Die 53-Jährige bezieht Hartz IV, sie hat ihre Wohnung vor gut einem Jahr wegen Eigenbedarfs verloren. „Ohne das Zimmer bei der Caritas säßen mein Hondo und ich auf der Straße“, sagt sie. Dass die früheren gut gemeinten Versuche der Stadt, die Hundebesitzer im Winternotquartier und deren Vierbeiner in Zwingern im Außenbereich unterzubringen, scheitern mussten, ist der gebürtigen Leipzigerin klar: „Mein Hund ist mein ein und alles. Müsste der in den Zwinger, würde ich auch dort schlafen“, versichert sie.

Zwinger werden kaum genutzt

Vor dem Wohnheim in der Leobener Straße waren zwei Zwinger gebaut worden. Auch im mittlerweile abgerissenen Männerwohnheim in der Nordbahnhofstraße gab es einen Hundezwinger. „Die Zwinger wurden innerhalb von drei Jahren nur einmal benutzt. Kaum ein Wohnsitzloser lässt sein Tier allein draußen“, so Spatz. Deshalb wurde das Angebot gestrichen. „Hunde in den Mehrbettzimmern der Notquartiere unterzubringen, das geht aber beim besten Willen nicht“, betont Spatz und weist darauf hin, dass in Stuttgart der soziale Wohnungsmarkt „noch verstopfter“ sei als der reguläre Wohnungsmarkt.

Martin Kikiny, der seinen Benny niemals in den Zwinger sperren würde, muss sich also zusammen mit seinem vierbeinigen Freund wieder wie jeden Abend einen Platz irgendwo draußen zum Schlafen suchen. Fallen die Temperaturen in den Minusbereich, öffnet die SSB für ihn und andere Obdachlose Stadtbahnhaltestellen in der Innenstadt. Ab minus fünf Grad ist der Kältebus des DRK-Kreisverbands unterwegs. Von 22 bis 2 Uhr fährt er die Schlafplätze von Obdachlosen an, zwei DRK-Helfer verteilen Decken und Schlafsäcke und schenken heißen Tee aus. Sind Wohnsitzlose akut gefährdet und lehnen Hilfe ab, werden der Rettungsdienst und die Polizei verständigt. Der Bus ist bis Ende März im Einsatz, Bleibt es nachts kalt, auch länger.