Immer mehr Menschen sind ohne Bleibe. Nürtingen rechnet mit einem Defizit von 100 Plätzen. Wohlfahrtsverbände fordern die Ankurbelung des sozialen Wohnungsbaus, und der Mieterbund spricht sich für die Mietpreisbremse aus.

Kreis Esslingen - Immer mehr Menschen in Nürtingen sind obdachlos. Die Sozialbürgermeisterin Annette Bürkner hat jetzt alarmierende Zahlen auf den Tisch gelegt. Für das kommende Jahr rechnet die Stadt mit einem Defizit von circa 100 Plätzen – und das obwohl sie im Zuge der Anschlussunterbringung immer weniger Flüchtlingen Wohnraum zur Verfügung stellen muss. Um die Not zu lindern, will die Stadt nun bauen, beispielsweise in der Max-Eyth-Straße, wo ein Gebäude für bis zu 75 Menschen entstehen soll. Zudem soll noch einmal an private Eigentümer appelliert werden, dass sie an Menschen mit geringem Einkommen vermieten.

 

Kommunen sollen selber bezahlbaren Wohnraum schaffen

Nürtingen ist beileibe kein Einzelfall. Auch andernorts ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Laut dem Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands, Eberhard Haußmann, besteht das Problem landkreisweit. „Es gibt so gut wie keine Wohnungen auf dem Markt, Menschen mit einem schmalen Budget haben so gut wie keine Chance, etwas zu finden.“ Es gebe „kaum noch Möglichkeiten sie ordentlich unterzubringen.“

„Wohnen ist ein Grundrecht“, betont der Diakoniechef indes. Angesichts der verschärften Lage sieht er die Kommunen in der Pflicht: „Es würde helfen, wenn Kommunen selber Wohnraum schaffen und Belegrechte sichern.“ Die Initiative ergriffen hat beispielsweise Ostfildern. Dort wird jetzt das Baugebiet „Ob der Halde“ im Stadtteil Scharnhausen erschlossen. Auf der städtischen Fläche sollen bis zu 120 Wohneinheiten entstehen.

Ostfildern reserviert Wohnungen für Einkommensschwache

Dabei wird eine Sozialklausel greifen: 30 Prozent der Wohnfläche in den Geschossbauten werden für soziales Bauen und damit für wenig begüterte Mieter mit Wohnberechtigungsschein reserviert, lautet die Direktive des Gemeinderats. Zudem wird festgeschrieben, dass diese Wohnungen für die Dauer von mindestens 25 Jahre auf diese Weise genutzt werden.

Dringenden Handlungsbedarf sieht auch der Deutsche Mieterbund Esslingen-Göppingen. „Der Markt kann ganz offensichtlich das existenzwichtige Grundbedürfnis Wohnen nicht gewährleisten. Deshalb muss der Staat eingreifen“, so der Vorsitzende des Mieterbunds, Udo Casper. Mieterinnen und Mieter sollten von der Politik künftig „durch die Mietpreisbremse vor überzogenen Mietpreisforderungen geschützt werden“.

Mieterbund: Esslingen ist ein überteuertes Pflaster

Der Mieterbund stützt sich auf eine Studie des F + B-Instituts im Auftrag der Landesregierung. In 88 Städten in Baden-Württemberg hat das Institut angespannte Wohnungsmärkte ermittelt. In 31 Städten davon, darunter auch Esslingen, wurde eine drängende Wohnungsnot festgestellt. „Die sogenannten Marktmieten in Esslingen liegen deutlich über der Durchschnittsmiete des Mietspiegels von 8,34 Euro pro Quadratmeter“, stellt Udo Casper fest. Bereits im vergangenen Jahr hatte die F + B-Marktübersicht in Esslingen Quadratmeterpreise von bis zu 14,40 Euro ausgewiesen. Aktuelle Übersichten gäben sogar Mietpreise von bis zu 17 Euro pro Quadratmeter an.

Auch überhöhte Mieten in anderen Kreiskommunen

Diese überteuerten Marktmieten seien die Vergleichsmiete von morgen, warnt Udo Casper. Der Deutsche Mieterbund Esslingen-Göppingen fordert ebenfalls Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. Bis eine Entspannung eintreten könne, hält er jedoch eine neue Landesverordnung zur Mietpreisbremse für unverzichtbar. Die Anwendung dieses Instruments ist dem Mieterbund zufolge außer in Esslingen noch in folgenden Kommunen angezeigt: Denkendorf, Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen, Kirchheim, Nürtingen, Wendlingen und Wernau.