Ein Holzhäuschen, das Schutz bieten vor Wind und Wetter, aber auch vor Übergriffen und Diebstahl: Im Schutz der Markuskirche im Stuttgarter Süden bietet ein Schlafwägele derzeit einer Obdachlosen eine Zuflucht.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Zwei Quadratmeter, die Schutz bieten vor Wind und Wetter, aber auch vor Übergriffen und Diebstahl – das sind zwei Quadratmeter, die einen großen Unterschied machen können für obdachlose Menschen. Zumal in dieser Jahreszeit. Es sind zwei Quadratmeter, die zwar kein Zuhause sein können – und das auch nicht wollen –, aber die eine Zuflucht sind, ein Refugium, ein Unterschlupf. Vor allem für die Nacht. Denn die mobile Holzkonstruktion, die mit einer Matratze mit abwaschbaren Bezügen ausgestattet ist, bietet auf zwei Metern Länge und 80 Zentimetern Breite gerade einmal genug Platz zum Schlafen.

 

Ein solches Schlafwägele, wie das Konstrukt genannt wird, steht bereits seit Sommer im Schutze der evangelischen Markuskirche im Stuttgarter Süden. „Über Conny Krieger, eine ehrenamtliche Sozialarbeiterin, sind wir in Kontakt zum Erfinder der Schlafwägele gekommen“, sagt Tilo Knapp, Pfarrer der Markuskirche. „Der hat uns dann eines geschenkt – das kam ziemlich abrupt.“ Der Erfinder, das ist der Bruchsaler Unternehmer Matthias Holoch.

Der ehemalige Kommunalpolitiker ist Bauunternehmer, der Idee mit dem Schlafwägele ging er in seiner Freizeit nach. Er baute einen Prototypen, der neben der Schlafmöglichkeit auch einen Stauraum unter der Liegefläche aufweist, der als Dämmung dient und in dem die Hilfsbedürftigen ihre Habseligkeiten deponieren und so vor Diebstahl schützen können. Bei einer Höhe von eineinhalb Metern lässt es sich auch ganz bequem sitzen. Die Seitentür lässt sich aufklappen und dient dann als Vordach. Den Rohbau für weitere Schlafwägele gab er in Auftrag, die Kosten pro Konstrukt schätzt er auf rund 1500 Euro. Fünf dieser Waggons sind bereits in Mainz im Einsatz.

Am Wochenenden bringt der Pfarrer der Frau im Schlafwägele oft ein Frühstück

Nun hat also auch Stuttgart sein Schlafwägele. Und es wird genutzt: „Eine Frau schläft derzeit darin – sie wurde uns ebenfalls über Conny Krieger vermittelt“, sagt Knapp. Diese Frau habe den vergangenen Winter auf der Straße verbracht, sie komme nicht aus Stuttgart und würde deshalb in der Notunterkünften nicht vorrangig aufgenommen. Zudem habe sie eine Phobie: Sie müsse ihr wenig Hab und Gut immer bei sich haben, sonst gerate sie in Panik. „Deshalb war das Schlafwägele eine passende Option für sie – zumal sie natürlich ganz anders gefährdet ist als ein Mann, der auf der Straße lebt und schläft“, sagt Knapp, der das Projekt Schlafwägele nicht als das der Kirchengemeinde betrachtet, sondern als sein persönliches.

Deswegen kümmert er sich auch intensiv um die Frau: An Wochenenden bringt er ihr oft ein Frühstück, bei sehr kalter Witterung bietet er ihr einen Schlafplatz in einem beheizten Raum. „Ich habe damals aber nur unter der Bedingung zugesagt, dieses Projekt anzunehmen, dass die Caritas es begleitet“, sagt Knapp. Von Seiten des Wohlfahrtsverbands gab es inzwischen bereits einige Gespräche mit der Frau, auch wurden ihr Hilfsangebote unterbreitet. „Einige davon hat sie angenommen, andere abgelehnt“, sagt Knapp. „Das ist auch in Ordnung so, sie ist schließlich ein freier Mensch und wir sollten aufhören, allen Menschen unsere Norm aufzwingen zu wollen.“

Da Knapp sich öfter um Menschen in Not kümmere, wisse er auch, dass man sie nicht einfach in ein Konzept pressen könne. „Wir haben deswegen keinen genauen Plan für die Nutzung des Schlafwägeles erstellt. Ich sage immer, ,Wege entstehen dadurch, dass man sie geht‘.“ Sicher sei nur, dass das Projekt in der jetzigen Form nicht für die Ewigkeit angelegt sei.

Muss die Frau dann den nächsten Winter wieder auf der Straße verbringen? „Klar, wenn man das Projekt zeitlich weiterdenkt, tauchen Fragen auf. Aber wir gehen den Weg einfach Schritt für Schritt. Ich habe bemerkt, dass sich vieles von selbst klärt.“ Zudem verweist er noch einmal auf das Engagement der Caritas, die sich auch um Lösungen bemühe. Sicher ist, dass das Schlafwägele in diesem Winter einer Frau in Not Sicherheit vor dem Erfrieren bietet. „Gemeindemitglieder haben auch schon Stulpen vorbeigebracht, die sie für die Frau gestrickt haben“, sagt Knapp. Vielleicht ist die soziale, die menschliche Wärme genauso wichtig.