Schon im vergangenen Sommer sorgten im Oberen Schlossgarten campierende Roma für Unmut bei Anrainern und Passanten – Diese Geschichte wiederholt sich nun. Polizei und Stadt verstärken ihre Kontrollen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Mit Beginn der warmen Jahreszeit tritt in der City wieder ein Phänomen stärker ins Bewusstsein, das schon im vergangenen Jahr die Gemüter bewegt hat: die des Nachts im Oberen Schlossgarten lagernden Roma. Ein erstes Treffen von Stadt, Polizei und Land mit den Anrainern hat bereits stattgefunden. Im Grundsatz ist man sich einig: Die Menschen aus Rumänien, die der Bettlerszene angehören, sollen durch verstärkten Kontrolldruck von Polizei und städtischem Vollzugsdienst zerstreut werden.

 

Die Beschreibungen der Szenerie sind wenig appetitlich: Matrazenlager und herumliegender Unrat, Uringestank in Passagen und an Hauswänden, Strauchrabatten, die Kloaken gleichen. „Der Obere Schlossgarten wird an manchen Stellen zur Erledigung dringender menschlicher Bedürfnisse missbraucht“, sagt Marc-Oliver Hendriks. Der geschäftsführende Intendant der Württembergischen Staatstheater gehört zu den Anrainern, welche die Verhältnisse für nicht mehr erträglich halten. Es gebe „gewisse Verwahrlosungstendenzen im öffentlichen Raum“, erklärt Hendriks, verursacht durch eine „zunehmende Missachtung der Grundsätze des menschlichen Miteinanders“. Immer wieder gebe es Klagen von Besuchern und Mitarbeiterinnen der Staatstheater, die sich dort „im öffentlichen Raum unwohl fühlen“. Die Roma im Schlossgarten seien freilich nur ein Teil des Problems, betont Hendriks, das „inadäquate Nutzungsverhalten“ betreffe auch Jugendliche in ihrem Freizeitverhalten.

Der Schlossgarten als „öffentliche Bedürfnisanstalt“

Auch Bernhard Sibold, Präsident der Bundesbank-Niederlassung Baden-Württemberg, spricht von einer „öffentlicher Bedürfnisanstalt“, wenn er die Verhältnisse in seinem unmittelbaren Umfeld beschreibt. „Die Mitarbeiter, die dort ihre Büros haben, beschweren sich, weil sie wegen des Geruchs die Fenster nicht mehr öffnen können“, sagt Sibold. Während der Wintermonate habe sich die Lage zwar etwas entschärft, nun aber sei das Problem so groß wie im vergangenen Jahr.

Ulrich Schwer erinnert sich nur ungern an das vorige Jahr. „Spürbare Einbußen“ bei den Gästezahlen habe man hinnehmen müssen wegen der Umtriebe direkt nebenan, erzählt der geschäftsführende Direktor des Hotels am Schlossgarten. Weshalb die Nachbarschaft dieses Mal auch frühzeitig das Gespräch mit Stadt und Land gesucht habe. Inzwischen hat Schwer in der Sache aber wieder etwas Hoffnung geschöpft. „Die Polizei tut jetzt mehr“, sagt der Hoteldirektor. „Man sieht viel mehr Beamte als vorher.“

Es geht um eine Gruppe von 30 bis 40 Personen

Polizeisprecher Stefan Keilbach bestätigt das. Man habe die Bettlerszene den ganzen Winter über im Blick gehabt, mache nun aber, wo diese wieder stärker sichtbar werde, „verdichtete Kontrollen“. Die Polizei geht von 30 bis 40 Personen aus, die zur Gruppe der rumänischer Roma gehörten, die den Schlossgarten als Schlafplatz nutzen. Manche Kenner der Verhältnisse sprechen von bis zu 100 Personen. Gegen diese spreche man nun vermehrt Platzverweise und auch Ordnungswidrigkeitsanzeigen aus und fordere die Betreffenden – durchaus mit Erfolg – auf, „ihren Unrat zu beseitigen“, sagt Stefan Keilbach.

Als Handlungsgrundlage dient den Beamten unter anderem die Benutzerordnung des Finanzministeriums für Grünanlagen des Landes, die vorigen Dezember neu gefasst wurde. In diesen, heißt es im Text, sei „insbesondere untersagt: 1. das Nächtigen in der Zeit von 20 bis 6 Uhr, 2. das Betteln, 3. das Verrichten der Notdurft“. Eine Sprecherin des Ministeriums betont, man wolle den Schlossgarten als „repräsentativen Erholungsraum attraktiv erhalten und im Interesse einer lebendigen, bürgerfreundlichen Innenstadt vor unzulässiger Inanspruchnahme schützen“.

Eine schwierige Aufgabe

Das ist nicht einfach. Die aus Rumänien stammenden Roma „haben als EU-Bürger Freizügigkeitsrecht“, erklärt Hermann Karpf, der Sprecher von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU). Die bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Menschen auch nach Platzverweisen „immer wieder gekommen sind“, so Karpf. „Das wird sehr mühsam.“ Bei den nun geplanten Aktionen soll sich deshalb nun auch der städtische Vollzugsdienst beteiligen. Und man will einmal mehr den deutsch-rumänischen Verein einbinden, um auf die Roma-Gruppe einzuwirken.

Beim Ordnungsreferat will man auch „das Bild vom armen, bedürftigen Bettler korrigieren“, sagt Hermann Karpf. Nach den bisherigen Erkenntnissen betrieben die im Schlossgarten nächtigenden Personen unerlaubtes organisiertes Betteln, bei dem einige in der Gruppe „abkassieren“, so der Sprecher des Ordnungsreferats.

Polizei sieht auch Private in der Pflicht

Stefan Keilbach erinnert aber daran, dass die Polizei auch in diesem Fall bei ihrem Tun „eine menschliche Verantwortung“ habe. Was nicht heiße, dass man sich beschimpfen und beleidigen lassen müsse. Ziel sei es nun, der Gruppe das Lagern im Schlossgarten „ein Stück weit ungemütlich zu machen und zu zeigen, dass sie nicht tun und lassen können, was sie wollen“.

Die Polizei sieht aber auch die privaten Anrainer in der Pflicht, schließlich übernähmen die Beamten für diese, wo es sich um deren Gelände handle, „eine Art Hausmeisteraufgabe“. Kritisch sieht Stefan Keilbach überdies das Handeln einiger sozialer Organisationen. Diese verteilten Isomatten und Schlafsäcke an die Menschen, den Rest überlasse man der Polizei. Vielleicht sollten die Helfer sich dann auch um Schlafplätze für die Roma kümmern, denkt sich Keilbach. In nächster Zeit will die Stadt jedenfalls nicht nur mit den Anrainern, sondern auch mit den sozialen Organisationen noch mal Gespräche führen.

Unmut bei der Bahnhofsmission

Bei mancher Hilfsorganisationen ist die Gruppe aus dem Schlossgarten nur wenig beliebt. Die Bahnhofsmission, wo die Roma regelmäßig auftreten, hat man die Erfahrung gemacht, dass sie „recht fordernd sind“, sagt Hermine Schollmeyer. „Es muss immer alles zackzack gehen.“ Aus der Kleiderkammer der Bahnhofsmission bediente sich die Bettlergruppe stets in großem Umfang. Inzwischen hat man Hinweise dafür, dass die Artikel auf Flohmärkten und an Second-Hand-Läden verkauft werden. Bei der Bahnhofsmission hat man Konsequenzen gezogen, sagt Hermine Schollmeyer: „Es wird bei uns nur noch ein Tisch mit Roma belegt und es gibt nur noch ein Kleidungsstück pro Person und Tag.“