Nach dem Tod eines Häftlings in der Haftanstalt in Bruchsal steht die Todesursache noch nicht fest. Klar ist zunächst nur, dass er unter Methadoneinfluss stand. Die Opposition wirft dem Justizminister vor, die Lage nicht in den Griff zu bekommen.

Bruchsal - Nach dem Tod eines weiteren Häftlings in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal erhebt die oppositionelle FDP Vorwürfe gegen Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Der erneute Todesfall zeige, dass der Justizminister seiner Aufgabe offenbar nicht gewachsen sei, erklärte Hans-Ulrich Rülke, der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion. Sollte sich zeigen, dass der Mann den Heroinersatzstoff Methadon ohne Wissen der Gefängnisleitung eingenommen habe, trage Stickelberger dafür letztlich die politische Verantwortung. „Der Minister schafft es offensichtlich nicht, die seit August 2014 zu Tage getretenen Missstände in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal in den Griff zu bekommen“, moniert Rülke.

 

Wie die Staatsanwaltschaft Karlsruhe mitgeteilt hatte, war ein 22 Jahre alter Gefangener am Mittwochmorgen tot in seiner Zelle in Bruchsal gefunden worden. Am Donnerstag war nach einem vorläufigen Obduktionsergebnis die Todesursache weiter unklar. Anzeichen äußerer Gewalteinwirkung stellte das Institut für Rechtsmedizin der Universität Heidelberg nicht fest. Jedoch hatte ein Schnelltest ergeben, dass der Tote Methadon zu sich genommen hatte. Unklar ist, wie der Mann, der ein deutscher Staatsbürger aus Baden-Württemberg ist und keinen Migrationshintergrund hat, an den Drogenersatzstoff gekommen ist. An einem Methadonprogramm für Heroinabhängige hat er der Staatsanwaltschaft zufolge nicht teilgenommen.

Auf Drogen durchsucht

Besucher würden je nach Verdacht ebenso kontrolliert wie die Gefangenen selbst, erklärt ein Sprecher des Justizministeriums. Auch die Hafträume würden auf Drogen durchsucht. Bei einer „verfassungskonformen Vollzugsgestaltung“ sei der Konsum von Drogen im Gefängnis jedoch nicht generell zu verhindern.

Zur Klärung der Todesursache des Gefangenen hat die Staatsanwaltschaft eine feingewebliche und eine chemisch-toxikologische Untersuchung angeordnet. Diese Untersuchungen werden nach Angaben der Rechtsmediziner mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Der junge Mann musste nach Auskunft des Justizministeriums ständig Medikamente wegen psychischer Auffälligkeiten nehmen. Die ordnungsgemäße Einnahme dieser Medikamente sei überwacht worden, sagte der Sprecher.

Der 22-Jährige war seit Januar 2012 in Haft. Aktuell verbüßte er eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung mit einem Messer. Am 4. Dezember 2014 war er aus dem Gefängnis in Mannheim nach Bruchsal verlegt worden. Zuvor saß er im Jugendgefängnis Adelsheim. Dort hatte er laut Ministerium im November 2012 eine Beamtin attackiert und so schwer verletzt, dass die Frau dauerhaft dienstunfähig sei. Das führte zu einer weiteren Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren. In Mannheim gab es eine körperliche Auseinandersetzung und Drohungen gegen Mitgefangene.

Akute Gefährlichkeit

Der junge Mann kam in Mannheim vom 7. Oktober 2014 bis zu seiner Verlegung nach Bruchsal wegen akuter Gefährlichkeit in Einzelhaft. Der Gefangene hat dem Ministerium zufolge selbst um die Einzelhaft gebeten, da er „die Konsequenzen seines Handelns andernfalls nicht abschätzen könne“. In Bruchsal sei die Einzelhaft am 16. Dezember aufgehoben worden, erklärte der Ministeriumssprecher. Der Gefangene habe sich in Bruchsal besser integriert. „Seine Prognose war eher günstig.“ Er saß inzwischen, wie üblich, in einer Einzelzelle.

Die Haftanstalt Bruchsal war im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten, weil im August ein Gefangener in Einzelhaft verhungert war. Ein weiterer Häftling starb an Herzversagen. Insgesamt starben im vergangenen Jahr in den 17 Haftanstalten des Landes 23 Menschen, sechs davon durch Selbstmord. Vereitelt wurden 22 ernsthafte Selbstmordversuche. Im Vergleich der Bundesländer seien die Zahlen in Baden-Württemberg nicht außergewöhnlich, sagte der Ministeriumssprecher.

Todesfälle
Im baden-württembergischen Strafvollzug starben im vergangenen Jahr 23 Menschen, sechs davon durch Selbstmord. Selbstmordversuche gab es dem Justizministerium zufolge 28. Die Gesamtzahl der Inhaftierten ist noch nicht bekannt. 2013 waren 17 126 Menschen in Haft, es gab elf Todesfälle, darunter sieben Selbstmorde bei 29 Versuchen. 2012 zählte man 16 537 Gefangene, 15 Todesfälle (neun Suizide). 2011: 16 419 Gefangene, neun Tote, ein Selbstmord. Deutschlandweit starben 2013 nach Angaben des Bundesjustizministeriums 122 Gefangene, davon 50 durch Selbstmord. 2012 waren es 119 bei 57 Selbstmorden, 2011 zählte man 128 Todesfälle mit 53 Suiziden.

Informationspolitik Seit dem Hungertod des Bruchsaler Gefangenen im August 2014, der erst Wochen später bekannt wurde, betreibt das Justizministerium eine „aktive Informationspolitik“. Man nehme seither ein gesteigertes Interesse am Justizvollzug wahr, dem man Rechnung trage, erklärte der Sprecher.