Wolfgang Schuster will offenbar wieder Bürgermeister werden. Warum auch nicht, seine Bilanz sieht ganz gut aus. Doch es gab auch Patzer.

Stuttgart - Die Spatzen pfeifen es vom Rathausdach. Der Oberbürgermeister entwickelt von Tag zu Tag mehr Elan, gebiert immer neue Ideen - wie zu seinen besten Anfangszeiten. Zwar stöhnt und ächzt die Stadtverwaltung, weil ihr oberster Dienstherr sie mit immer neuen und immer mehr Initiativen piesackt, für die Beobachter aber und für das engere Umfeld, auch für die politische Konkurrenz im Gemeinderat, gibt es nur eine Erklärung: "Der Schuster will es noch mal wissen - der läuft sich warm, um im Herbst 2012 noch einmal anzutreten", sagt ein altgedienter Grüner, der den OB und die kommunalpolitische Szene in der Landeshauptstadt seit vielen Jahren kennt.

 

Und was sagt Wolfgang Schuster? Auf die immergleiche Frage, wie er es mit der OB-Wahl im kommenden Jahr halte, gibt er offiziell die immergleiche Antwort: "Ich äußere mich am 7. Januar 2012, genau ein Jahr, bevor meine zweite Amtszeit endet." Mit diesem Stereotyp hat der Oberbürgermeister vor Kurzem auch den neu gewählten CDU-Kreischef Stefan Kaufmann beschieden, als der - dem Auftrag der Jungen Union und der Parteibasis folgend - den OB im Rathaus aufsuchte, um ihn dazu zu bewegen, sich doch bitte schön früher zu entscheiden und zu äußern.

Nicht drängen lassen

Beide Herren betonen, sie hätten über den Inhalt des Gesprächs Stillschweigen vereinbart - aber klar ist, dass Wolfgang Schuster bei seiner Ankündigung bleibt. Weder von der Kreispartei noch von der Jungen Union mag er sich drängen lassen. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung ging der seit dem Januar 1996 amtierende Oberbürgermeister immerhin einen klitzekleinen Schritt weiter: "Ich habe mich noch nicht entschieden." Das lässt Raum für Interpretationen.

So viel scheint jedenfalls sicher und ist spürbar, wenn Wolfgang Schuster in diesen Tagen und Wochen in der Stadt unterwegs ist: Die Landtagswahl vom 27. März, die krachende Niederlage der Christdemokraten und das Verschwinden seines "Intimfreundes" Stefan Mappus aus der Landespolitik - das alles beflügelt den Oberbürgermeister. Er sieht sich als den letzten Leuchtturm der Christdemokraten im Land, dem alten, ungeschriebenen Politikgesetz folgend: Der OB von Stuttgart ist die Nummer zwei im Land nach dem Ministerpräsidenten. Stefan Mappus hat dieses Amt verspielt, die Zahl der Oberbürgermeister im Land, die ein CDU-Parteibuch besitzen, ist mittlerweile überschaubar. In den großen Städten, namentlich an den Universitätsstandorten, haben die Christdemokraten bei den Wahlen der letzten Jahre jede Menge Federn gelassen, nicht nur in Stuttgart.

Nachfolge des populären Manfred Rommel

Wer Wolfgang Schuster kennt, der weiß, dass der Rathauschef, der am 4. September seinen 62. Geburtstag feiert, zu jenen Menschen zählt, die nachtragend sind und nicht vergessen, was ihnen andere - Parteifreunde oder auch politische Gegner - irgendwann einmal angetan haben. Vergessen hat er nicht, dass er anno 1996, als es um die Nachfolge des populären Manfred Rommel ging, zunächst einmal gar nicht die erste Wahl der Stuttgarter Christdemokraten war. Seither hegt er gegen "seine" Kreispartei eine gehörige Portion Misstrauen.

Schuster ist dienstältester Kämpfer für S 21

Aber Wolfgang Schuster weiß genau: Einen geborenen CDU-Kandidaten, der an seiner Stelle kandidieren könnte, hat die Partei bis dato nicht. Und einen oder eine zu finden, der oder die in der Gewissheit antritt, dass es im Herbst 2012 auch eine Niederlage geben kann, erschwert die Bewerbersuche ganz enorm.

Wolfgang Schusters Selbstsicht ist nicht schwer zu ergründen: Er ist - trotz aller Kritik und aller Schmähungen seiner Gegner - inzwischen der dienstälteste Kämpfer für Stuttgart 21, innerhalb wie außerhalb der CDU. Abgesehen vom Streitthema Nummer eins kann sich seine Bilanz ein starkes Jahr vor dem Ablauf seiner zweiten Amtszeit durchaus sehen lassen: Die Landeshauptstadt ist praktisch schuldenfrei, Kulturprojekte wie das Kunstmuseum oder die neue Bibliothek tragen seine Handschrift, die Wiedergründung der Stadtwerke hat er befördert, Themen wie die kinderfreundliche Stadt auf die Agenda gesetzt, die liberale Ausländerpolitik seines Vorgängers aus Überzeugung fortgeführt. Demgegenüber lastet man Wolfgang Schuster zu Recht die schiefgegangene Olympiabewerbung für 2004 an oder auch seine unerklärliche Begeisterung für das windige Projekt eines Trumptowers auf der Prag.

Rückenwind durch Kretschmann

Der Rückenwind, den der OB seit dem 27. März verspürt, hängt mit Winfried Kretschmann zusammen, dem neuen grünen Ministerpräsidenten. Sieht man von Stuttgart21 einmal ab, so haben die beiden viele Gemeinsamkeiten: die Gegnerschaft zur Kernenergie, das Bemühen um Klima- und Umweltschutz, um neue Energie- und Mobilitätskonzepte. Selbst politische Gegner staunten dieser Tage darüber, wie es der OB geschafft hat, den Vorstand von Porsche dazu zu bewegen, sich womöglich mit vielen Millionen am Mobilitäts- und Erlebniszentrum im Neckarpark zu engagieren.

Nicht zu vergessen: Klaus-Peter Murawski, der grüne Ex-Bürgermeister und ein Duzfreund des OB, hat als neuer Staatssekretär und Amtschef in der Villa Reitzenstein allerhand Einfluss in der grün-roten Regierung - einen so kurzen Draht zur Landesregierung haben weder der legendäre Nachkriegs-OB Arnulf Klett noch Manfred Rommel besessen. Daher kursiert seit Kurzem ein kleiner Scherz im Rathaus: Wie wär's denn, wenn sich Grüne und Christdemokraten gemeinsam auf den OB-Kandidaten Wolfgang Schuster einigen täten!?

Was spricht dagegen?

Doch was spricht gegen eine erneute Kandidatur von Wolfgang Schuster? Seit der verlorenen Landtagswahl ist klar, dass die 3200 CDU-Mitglieder in der Landeshauptstadt mitsprechen, ja mitentscheiden möchten, wenn es um die Kür des Kandidaten oder der Kandidatin für 2012 geht. Ob es am Ende "nur" eine Mitgliederbefragung geben wird oder eine regelrechte Wahl durch die Basis, ist noch offen. Kenner der Kreispartei aber sagen klipp und klar: In der hiesigen CDU hat der Oberbürgermeister keine Mehrheit. Die Partei nimmt ihm seine Parteiferne übel und erinnert sich mit Schrecken daran, dass seine Wiederwahl 2004 eine Zitterpartie war, die die Parteikasse bis heute belastet. Und: seine Absprachen mit dem Grünen-Kandidaten Boris Palmer, namentlich zu Stuttgart21, kreiden viele seiner Parteifreunde dem OB bis heute heftig an.

Das politische Fazit: Wolfgang Schuster wartet auf den Ruf seiner CDU. Ohne die Partei wäre er chancenlos, gegen einen offiziellen CDU-Bewerber wird er nicht kandidieren. Die Spitze der Kreispartei ist auf der Suche nach neuen Namen, aber die verlorene Landtagswahl hält den Kreis derer, die infrage kommen, in engen Grenzen. Und: auch die politische Konkurrenz - sowohl die Grünen wie die SPD - haben akute Probleme, aussichtsreiche Kandidaten zu finden. Vieles hängt davon ab, wie es mit Stuttgart21 weitergeht. Im Herbst sieht man mehr. Spätestens am 7. Januar 2012, wird Wolfgang Schuster sich erklären.