Oberbürgermeister Roland Klenk Warum Leinfelden-Echterdingen Erzieher nicht mit mehr Geld locken will

In Leinfelden-Echterdingen warten aktuell 260 Familien auf einen Kitaplatz. Foto: imago images/photothek

Die Situation in der Kinderbetreuung war noch nie so schwierig, wie heute. Oberbürgermeister Roland Klenk erläutert, welche Gegenmaßnahmen er für besonders wichtig hält. Und warum er skeptisch ist, ob mehr Geld wirklich mehr Fachkräfte anzieht.

Weil es zu wenig Personal gibt, bekommen so viele Familien wie noch nie keinen Kitaplatz. Betreuungszeiten werden gekappt, Eltern sind verzweifelt. Im Interview erklärt der Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, Roland Klenk, was jetzt zu tun ist.

 

Herr Klenk, in den städtischen Kitas sind derzeit 19,5 Stellen nicht besetzt. Erzieherinnen und Erzieher arbeiten am Limit, Eltern gehen auf die Straße. Wie konnte es dazu kommen?

Die gesamte Nachfrageebene – öffentlich und privatwirtschaftlich – ist vom Fachkräftemangel betroffen. Es fehlen ja seit Langem auch Ingenieurinnen und Ingenieure. Deren Studienplätze sind aber nicht überfüllt. Ähnliches gilt für die Ausbildungsstätten von Erzieherinnen und Erzieher: Die sind zwar voll, es gibt aber keine Wartelisten. Obwohl diese Branche so nachgefragt ist und sich in den vergangenen Jahren auch finanziell gut entwickelt hat. Das Potenzial an jungen Menschen, die diese Berufe anstreben, ist ausgeschöpft. Dieses Potenzial gilt es jetzt wieder zu erweitern. Ich bin aber nicht sehr optimistisch, dass wir in den nächsten zwei Jahren einen deutlichen Sprung nach vorne machen können.

Was hat die Stadt dazu beigetragen?

Wir haben in der Kinderbetreuung unglaublich viel getan: Wir haben gebaut, haben Kitas mit bester Ausstattung und besten Außenanlagen. Bei den pädagogischen Konzepten waren wir immer sehr innovativ. Wir hätten aber vielleicht schon etwas früher damit anfangen können, die Stadt als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Das muss ich schon selbstkritisch anmerken.

Derzeit versucht sich die Kommune mit allen Mittel gegen diese Misere zu stemmen. Welche der vielen Maßnahmen halten Sie für besonders wichtig?

Die fachlichen Anforderungen, aber auch die Bürokratie sind in der Kinderbetreuung ständig gewachsen. Unsere Maßnahme, auch Verwaltungspersonal in den Kitas einzusetzen, entlastet die Erzieherinnen und Erzieher deutlich. Sie können sich jetzt wieder mehr der pädagogischen Arbeit mit und an den Kindern widmen.

Warum scheuen Sie davor zurück, etwas mehr zu zahlen als andere Kommunen und auf diese Art Bewerberinnen und Bewerber für die Stadt zu gewinnen?

Da wir in der Mietpreisbundesliga deutlich besser dastehen als der VfB, will ich das für die Zukunft nicht komplett ausschließen. Ich habe aber meine Zweifel, ob man an 350 Euro brutto eine Berufsentscheidung festmacht, und ich sehe diese Entwicklung auch nicht gerne. Schließlich gibt es nicht umsonst ein Tarifgefüge. Wenn da jede Stadt ausbricht, dann verlassen wir eine gemeinsame Ebene und finden vielleicht nicht wieder zurück.

Um nicht wieder Personal auf einem leer gefegten Markt suchen zu müssen, wird die Stadt künftig bei der Grundschulkinderbetreuung auf eine Zusammenarbeit mit Vereinen und den Einsatz von hauptamtlichen Sportpädagoginnen und Sportpädagogen setzen. Warum wird dieses Konzept aufgehen?

Wir werden so zwei für die Stadt zentral wichtige Bereiche verbinden: Die Betreuung von Kindern und das Ehrenamt im Sport. In der Grundschulkinderbetreuung können aber auch Menschen aus der Musik und der Kunst tätig werden. Kinder können also Sport treiben, Musik machen und künstlerisch tätig werden. Die Vereine werden gleichsam unterstützt. Bisher finden sich immer weniger Menschen, die neben ihrem Beruf noch eine weitere, ehrenamtliche Aufgabe übernehmen können. Mit diesem Konzept, für das mein Herz schlägt, wird eine neue Struktur geschaffen, die für jeden Ehrenamtlichen eine tragbare Belastung und ein tragbares Risiko bringt.

Knackpunkt bleibt das Personal: Warum finden Vereine eher Sportpädagoginnen und Sportpädagogen als die Stadt Erzieherinnen und Erzieher?

Noch gibt es Sportpädagogen und Sportwissenschaftler, die Arbeit suchen. Es ist wichtig, dass wir mit der Konzeption und deren Umsetzung vorankommen, damit wir dieses Angebot auch abschöpfen können. Wie die Situation in drei, vier Jahren aussieht, weiß kein Mensch.

In Leinfelden-Echterdingen leben immer mehr Kinder aus der Ukraine. Was kann die Kommune auf diesem Feld tun?

Wir haben aktuell 63 ukrainische Kinder in unseren Schulen, die Vorbereitungsklassen besuchen. Hier bekommen wir eine gute Unterstützung vom staatlichen Schulamt. In unseren Unterbringungseinrichtungen gibt es Spielecken. Ehrenamtliche, beispielsweise vom Christusforum in Leinfelden, bieten mit Unterstützung der Stadt Begegnungsmöglichkeiten für Jung und Alt. Angesichts der angespannten Kita-Platzsituation wollen wir den Eltern Räume für Betreuungsinitiativen anbieten. Für ein Unding halte ich es, dass die Finanzierung der Sprachförderung in den Kitas von Bund und Land immer noch nicht nachhaltig und auskömmlich finanziert ist.

Der Fachkräftemangel ist nicht das einzige Problem. Das Heute ist geprägt von vielen Krisen. Herr Klenk, warum wollen Sie trotzdem noch Oberbürgermeister dieser Stadt sein?

Man wird nicht nur für die Zeiten gewählt, wo die Sonne scheint. Ich spüre das Vertrauen der Bürgerschaft, des Gemeinderates und der Stadtverwaltung, dass ich gerade in schwieriger Zeit gute Beiträge leisten kann.

Woraus ziehen Sie Kraft und Mut? Wie können wir hoffnungsvoll bleiben?

Morgens beim Aufstehen habe ich manchmal schon schwere Gedanken. Grundsätzlich bin ich aber ein optimistischer Mensch und immer auf der Suche nach dem Lichtlein. Die Menschen müssen aber etwas bescheidener werden. Wir dürfen unseren gewohnten, wachsenden Wohlstand nicht mehr als ein Grundrecht begreifen, sondern als eine Zielmarke, wofür man sich anstrengen muss.

Oberbürgermeister Klenk und die Kinderbetreuung

Zur Person
Roland Klenk ist 70 Jahre alt und ist seit fast 21 Jahren der Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen. Zuvor leitete er die Geschicke der Stadt Lahr im Schwarzwald. Klenk wurde in Murrhardt im Rems-Murr-Kreis geboren. Nach dem Abitur am Ludwigsburger Mörike-Gymnasium studierte er Rechtswissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Kinderbetreuung
Um die Situation in den Kitas zu verbessern, hat der Gemeinderat ein umfassendes Programm verabschiedet. Die Stadt will neue Fachkräfte unter anderem mittels Kurzvideos in den Sozialen Medien finden. Es werden Assistenz-, und Bürokräfte eingesetzt, um das pädagogische Personal zu entlasten. Im kommenden Jahr soll es eine Denkwerkstatt zu dem Thema geben. Aktuell warten noch 260 Familien auf einen Betreuungsplatz. Weil ein paar vakante Stellen besetzt werden konnten, werden verschiedene Kitas von Januar an, anstatt wie angekündigt um 14 Uhr, erst um 15 Uhr schließen müssen. nak

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