Das Theater unter der Dauseck aus Oberriexingen zieht in der aktuellen Freiluft-Spielzeit ins Kraichgau. „Der Weg lohnt sich“, findet die Amateur-Truppe.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Oberderdingen - Es gibt Angebote, die kann man nicht ablehnen. Die Einladung aus Oberderdingen war ein solches Angebot. „Viel zu weit weg“, dachten die Mitglieder vom Oberriexinger Theater unter der Dauseck zunächst. „Aber dann waren wir einmal hier und waren sofort überzeugt“, erzählt Barbara Schüßler. Oberderdingen hat nämlich einen spätmittelalterlichen Amtshof zu bieten, eindrückliche Kulisse also mit Kirche und Kelter, Keller und Türmen, Mauern und Höfen. „Uns war klar, hier muss etwas Fantastisches passieren“, sagt die Autorin des Vereins. „Ein Stück nebst Herz“ ist es geworden, eine freie Adaption von Shakespeares „Kaufmann von Venedig“, die am Wochenende Premiere hatte.

 

„Geld allein macht nicht glücklich“, sagt ein älterer Herr, der im Schneidersitz auf einem Podest sitzt und Papierflieger in die Luft katapultiert. „Da gehören auch noch Aktien, Gold und Liegenschaften dazu.“ Am laufenden Band ruft dieser Herr namens Baktir Zitate zum Mammon in die Welt hinaus, als wollte er sich selbst deutlich machen, wie hohl sein Geschäft ist. Baktir ist zwar reich, aber unglücklich. So unglücklich, dass er für einen Freund sein Herz hergeben würde. Summes heißt der Kerl, der ein Halodri ist und Geld braucht, um eine vermögende Jungfer zu gewinnen. Die Millionen dafür holt er sich beim Investor Halsab Snijder – mit Baktirs Herz als Sicherheit.

Surreale Kontraste vor historischem Hintergrund

Vor dem historischen Hintergrund Oberderdingens setzt das Theater unter der Dauseck surreale Kontraste. Die Figuren tragen Masken oder Vorhänge vor dem Gesicht, merkwürdige Hüte und Lampenschirme auf dem Kopf, sie stecken in Ganzkörperanzügen oder in Efeubüschen. Äußerlich wirken sie wie Außerirdische aus Science-Fiction-Filmen der 1960er Jahre: schräg, skurril, eben fantastisch. Und tatsächlich spielt in dem Stück ein Außerirdischer eine Rolle. Mosaki reiste tausende von Lichtjahren, um um Ornatas Hand anzuhalten. Sie ist die Jungfer, die derjenige ehelichen darf, der ein Rätsel löst. Was hilft, um sie glücklich zu sehen? Eine kluge Frau, ein Hündchen oder Wein? Der Außerirdische liegt falsch.

Die Szenen werden an einem Dutzend Stationen gezeigt. Durch die Gegensätze von Kostümen und Kulisse gelingen dabei eindrucksvolle Bilder. Abgehoben wirkt das Stück nebst Herz außerdem wegen seiner Sprache: Die Dialoge werden durch nachplappernde Claqueure ständig wiederholt oder unterbrochen. Der eine schwäbelt, der andere nicht, und nur der Investor spricht lange, komplizierte Sätze. Die Zuschauer begegnen sogar einem Oberderdinger Gespenst, das einst Schultes war und wegen einer unbeglichenen Schuld nicht zur Ruhe kommt. Mit Weisheiten wie „Brennt im Herzen dir ein Weh, lösch’ es dir mit Kernlestee“ hilft die Luftfigur dem Halodri Summes, seinen Schatz zu gewinnen. Seinem Freund Baktir eilt jedoch jemand anderes zu Hilfe, um vor Gericht sein Herz zu retten. „Geld allein macht nicht glücklich“, heißt es am Schluss, „aber die Liebe.“

Erstes Freiluft-Theater seit 1966 im Amtshof

Das Theater unter der Dauseck ist Ortswechsel gewohnt, die Truppe gastierte schon in Freudental und Sachsenheim. In den Oberderdinger Amthof bringen sie die erste Freiluft-Aufführung seit 1966. Von den 28 Mitspielern stammen fünf aus dem Gastort und alle zusammen füllen ihre Rollen überzeugend und mit Humor aus. Der melancholische Baktir, der überdrehte Summes, Bubu und Ommes, ihre beiden Begleiter, die unzufriedene Ornata sowie ihre belehrende Hausdame. Herausragend sind Maria Katsivelos und Lara Schüßler, die das Publikum singen und spilend, erklärend und augenzwinkernd durch das Stück führen. „Der Weg nach Oberderdingen lohnt sich“, ist Barbara Schüßler überzeugt.