Zwei mutmaßliche Kriegsverbrecher aus Ruanda müssen sich in Stuttgart vor Gericht verantworten.

Stuttgart - Im Prozess gegen zwei mutmaßliche Kriegsverbrecher vor dem Oberlandesgericht Stuttgart hat die Bundesanwaltschaft schwere Vorwürfe gegen die beiden Angeklagten erhoben. Seit Mittwoch müssen sich die beiden mutmaßlichen Rädelsführer einer für Gräueltaten im Bürgerkriegsgebiet Kongo berüchtigten Miliz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Osten des Landes verantworten. Der Prozess ist bundesweit der erste nach dem seit 30. Juni 2002 geltenden Völkerstrafgesetzbuch.

 

Der Oberstaatsanwalt vor dem Bundesgerichtshof, Christian Ritscher, sagte bei der Anklageverlesung, die beiden Männer im Alter von 47 und 50 Jahren hätten von Deutschland aus mit modernen Kommunikationsmitteln „die Vorgehensweise und Strategie“ der „Forces Démocratiques de Libération du Rwanda“ (FDLR) geplant und gesteuert.

Massaker, Vergewaltigungen, Verschleppungen

Der Vertreter der Bundesanwaltschaft schilderte daraufhin zahlreiche Massaker, Einzelmorde, Massenvergewaltigungen, Verschleppungen und Plünderungen, die der FDLR im östlichen Bürgerkriegsgebiet im Jahr 2008 und 2009 zuzuschreiben seien. In den östlichen Gebieten, wo es ein politisches Vakuum gegeben habe, hätten die 1994 aus Ruanda geflüchteten „Völkermörder“ ein „Schreckensregime“ errichtet.

Als militärische und politische Führung sei den Angeklagten stets bekannt gewesen, welche Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen wurden, sagte Ritscher. „Sie bestimmten die Geschicke der FDLR“, sagte er.

Mit Terror gefügig gehalten

Die aus 3000 bis 6000 Milizionären bestehende FDLR sei „wie eine reguläre Armee“ aufgebaut und verfüge über eine straff organisierte Struktur, die nach dem Prinzip „Befehl und Gehorsam“ funktioniere. Die Führungsspitze in Europa, in der der Präsident und Angeklagte Ignace M. eine besondere Rolle spielte, sei jeder Zeit befugt und in der Lage gewesen, militärische Befehle zu erteilen. „Es kam ihnen darauf an, die Menschen in der Region mit einem Terrorregime gefügig zu halten“, warf Ritscher den Rädelsführern vor.

Zu Beginn des Prozesses hatte die Verteidigung mehrere Anträge auf Aussetzung des Verfahrens gestellt. Unter anderem sollten die Vertreter der Bundesanwaltschaft ausgetauscht werden, da diese selbst Zeugen im Kongo und in Ruanda befragt hätten und befangen seien, argumentierten die Anwälte. Dies wurde abgelehnt. Das Gericht vertagte die Entscheidung über weitere Anträge, in denen die Verteidigung unter anderem bemängelt, dass Zeugenaussagen angeblich von der ruandischen Regierung beeinflusst wurden.

Der Prozess genießt viel Aufmerksamkeit, da erstmals das Völkerstrafgesetzbuch angewendet wird. Darin ist geregelt, dass deutsche Gerichte Straftaten gegen das Völkerrecht, wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen, aburteilen können. Dies gilt, auch wenn der Tatort nicht in Deutschland ist oder wenn Täter oder Opfer nicht deutsche Staatsangehörige sind.