StZ-exklusiv: Der umstrittene Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler geht vorzeitig in Pension. Die Entscheidung beruhe allein auf „familiären Gründen“, heißt es. Sie habe nichts mit der Kritik an seiner Arbeit zu tun.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der wohl umstrittenste Ermittler und Ankläger in Baden-Württemberg gibt sein Amt auf: Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, der Leiter der politischen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart, geht vorzeitig in den Ruhestand. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hat Häußler (Jahrgang 1950) aus familiären Gründen um seine Pensionierung gebeten. Mit der Kritik an seiner Arbeit, vor allem im Zusammenhang mit Stuttgart 21 und dem EnBW-Deal, soll sein Rückzug nichts zu tun haben. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte dies am Sonntag auf Anfrage. Die Behördenleitung habe Häußlers Wunsch „mit großem Bedauern entgegengenommen“. Sie fügte hinzu: „Wir lassen ihn als sehr geschätzten und allseits beliebten Kollegen nur sehr ungern gehen.“

 

Offiziell findet der Führungswechsel in der wichtigen Abteilung, die unter anderem für Politiker und politisch motivierte Straftaten zuständig ist, Anfang September statt. Nachfolger wird entgegen manchen Erwartungen kein unmittelbarer Mitarbeiter Häußlers, sondern die Chefin einer anderen Abteilung für allgemeine Strafsachen, Oberstaatsanwältin Christiane Arndt. Auch dies bestätigte die Behördensprecherin der StZ. Arndt war vor einigen Jahren bereits einmal in der politischen Abteilung tätig und genießt in der Staatsanwaltschaft einen guten Ruf.

Kritiker sprechen von einseitigen Ermittlungen

Massive Kritik an Häußlers Arbeit hatte es insbesondere wegen der Ermittlungen zum Polizeieinsatz am „schwarzen Donnerstag“ im Schlossgarten gegeben. Gegner des Bahnprojekts, Anwälte der Verletzten und Politiker der Grünen warfen ihm vor, einseitig zu Lasten der Demonstranten zu ermitteln und diese besonders hart zu verfolgen. Gegen Polizeibeamte sei er dagegen nur zögernd und milde, gegen die verantwortlichen Regierungsmitglieder gar nicht vorgegangen. Unverständnis hatte Häußler auch geerntet, weil seine Abteilung anderthalb Jahre lang keine Ermittlungen wegen des EnBW-Deals von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) aufnehmen wollte; für eine bayerische Staatsanwältin grenzte dies an Strafvereitelung. Erst aufgrund eines Rechnungshofsberichts wurde schließlich doch ein Verfahren wegen des Verdachts auf Untreue eingeleitet, das dann die Wirtschaftsabteilung übernahm.

Zuletzt hatte Häußler internationale Proteste ausgelöst mit der Entscheidung, die Ermittlungen zum Nazimassaker von Sant Anna einzustellen. Da sich kein individueller Schuldnachweis erbringen lasse, sei eine Anklage nicht möglich. Kritiker erinnerten in diesem Zusammenhang daran, dass der Oberstaatsanwalt einst gegen einen antifaschistischen Versand vorgegangen war, der Artikel mit durchgestrichenen Hakenkreuzen vertrieb.

Minister erkennen keine Befangenheit

Vor allem in Stuttgart war Häußler zu einer Reizfigur geworden. Bei Demonstrationen ertönten „Häußler-weg“-Rufe, auf Ansteckern wurde er als „Schande für die deutsche Justiz“ bezeichnet. Bei einer Online-Petition verlangten 3000 Unterzeichner seine Ablösung. Auch die Landtags-Grünen starteten mehrere Initiativen gegen den Chefermittler: Weil dieser den gesamten „schwarzen Donnerstag“ bei der Polizeiführung verbracht habe, sei er „offensichtlich befangen und nicht in der Lage, objektive Ermittlungen zu führen“, hatte der Fraktionsgeschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl kritisiert.

Die Anträge, ihm die Verfahren zu entziehen, wurden jedoch von den Justizministern Ulrich Goll (FDP) und später Rainer Stickelberger (SPD) zurückgewiesen. Dessen Begründung: es gebe keine Anhaltspunkte für mangelnde Objektivität. Häußler selbst hatte die Kritik einmal mit „irrigen Rechtsauffassungen“ erklärt; es handele sich jedoch nur um eine Minderheit der Projektgegner.

Rückendeckung von den Behördenchefs

Wiederholt hatten sich Stickelberger und der kürzlich pensionierte Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger schützend vor den Oberstaatsanwalt gestellt. Der Minister verurteilte insbesondere die Online-Petition, die „die Grenzen einer angemessenen öffentlichen Auseinandersetzung“ überschreite. Persönliche Angriffe gegen einen einzelnen Beamten seien „der falsche Weg“. Pflieger hatte den Ausdruck „Reizfigur“ als inakzeptabel zurückgewiesen und betont, dass alle wichtigen Entscheidungen von mehreren Ermittlern gemeinsam getroffen würden. Der Chef der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Siegfried Mahler, hatte dem Vorwurf parteiischer Ermittlungen ebenfalls scharf widersprochen; Häußler führe seine Verfahren „objektiv, personen- und sachangemessen“.

Offizielle politische Reaktionen auf seinen schon länger absehbaren Rückzug gibt es noch nicht. Dieser soll den Landtags-Grünen jedoch die Zustimmung zur Berufung des neuen Generalstaatsanwalts, Achim Brauneisen, erleichtert haben. Sie taten sich mit dem Personalvorschlag des SPD-Ministers schwer, weil Brauneisen Häußlers Vorgehen stets abgesegnet hatte.