Wenn sich die Polizei einen Ausweis zeigen lässt und die Hautfarbe spielt dabei eine Rolle, muss sie gute Gründe für die Kontrolle haben. Liegen die nicht vor, verstößt sie nach Auffassung des obersten NRW-Gerichts gegen das Grundgesetz.

Münster - Ausweiskontrollen der Polizei wegen der dunklen Hautfarbe der Betroffenen sind ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz. Das hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht am Dienstag in Münster entschieden. Damit gab das Gericht einem Kläger aus Witten Recht. Der heute 43 Jahre alte Mann war im November 2013 im Bochumer Hauptbahnhof von zwei Bundespolizisten kontrolliert worden. Die Beamten hatten als Begründung sein auffälliges Verhalten und die dunkle Hautfarbe genannt.

 

So soll sich der Kläger eine Kapuze ins Gesicht gezogen haben, um von den Beamten nicht erkannt zu werden. Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klage des Mannes in der ersten Instanz noch abgewiesen. Das OVG in Münster kippte diese Entscheidung.

Großteil der Straftaten gehen auf das Konto von Deutschen

Der 5. Senat des Gerichts betonte in seiner mündlichen Urteilsbegründung, dass Polizeibeamte nur dann auch die Hautfarbe als Anknüpfungspunkt für eine Kontrolle auswählen dürfen, wenn ausreichende Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen. Der Rechtsvertreter der Polizei konnte allerdings im Verfahren keine überzeugenden Kriminalitätsstatistiken für den Hauptbahnhof Bochum vorlegen. Danach gingen ein Großteil der registrierten Straftaten auf das Konto von Deutschen.

Die Vorsitzende Richterin und Präsidentin des OVG, Riccarda Brandts, zeigte sich in der mündlichen Verhandlung überrascht. „Die bloße Behauptung, dass zum Großteil Nordafrikaner für Eigentumsdelikte verantwortlich sind, reicht nicht. Die Behörde hat eine erhöhte Darlegungslast“, sagte Brandts. Auch habe es sich nicht um eine illegale Einreise handeln können. „Der Kläger hat den Bahnhof ja von außen betreten. Das haben die Beamten ja gesehen“, sagte die Vorsitzende Richterin.

„Ich bin sehr froh über die heutige Entscheidung“

Das OVG betonte, dass die Polizei in gut begründeten Fällen wie bei Kriminalitätsschwerpunkten das sogenannte Racial Profiling anwenden darf: „Die Polizei muss hierfür einzelfallbezogen vortragen, dass Personen, die ein solches Merkmal aufweisen, an der entsprechenden Örtlichkeit überproportional häufig strafrechtlich in Erscheinung treten.“ Dann sei die Auswahl auch nach Hautfarbe für die effektive Kriminalitätsbekämpfung möglich.

„Ich bin sehr froh über die heutige Entscheidung. Zwar glaube ich nicht, dass derartige Kontrollen nun aufhören, das Urteil ist jedoch ein großer Schritt in die richtige Richtung“, sagte der erleichterte Kläger nach dem Urteil. Sein Anwalt kündigte trotz des Erfolges weitere rechtliche Schritte an. „Wenn das Gericht allerdings - wenngleich unter strengen Voraussetzungen - Ausnahmen von diesem Verbot andeutet, werden wir in weiteren Verfahren auch gegen solche Ausnahmen kämpfen, damit Kontrollen anhand der Hautfarbe aufhören“, sagte Sven Adam.

GdP will Urteil prüfen

Die Gewerkschaft der Polizei reagierte verhalten auf das OVG-Urteil. Zu Kriminalitätsbewältigung und Prävention müsse die Bundespolizei Personenkontrollen an Kriminalitätsschwerpunkten wie Bahnhöfen durchführen, sagte der GdP-Vizebundesvorsitzende Jörg Radek. „Ich vertraue den Kollegen, dass sie hochprofessionell in solche Situationen hineingehen und sich adressatengerecht und lageangemessen verhalten.“

Zu ihren Aufgaben gehöre es auch festzustellen, ob sich jemand unerlaubt im Land aufhalte. Radek zufolge will die GdP zunächst das schriftliche Urteil genau prüfen, bevor die Gewerkschaft dazu im Detail Stellung nimmt. Das Gericht ließ keine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Gegen diese Entscheidung kann die unterlegene Seite Beschwerde einlegen.