Handwerker im Westen wehren sich gegen den geplanten Obi-Markt. Die Interessengemeinschaft Hinterer Vogelsang (IG) hat angekündigt, Widerspruch gegen die von der Stadt Stuttgart erteilten Baugenehmigung einzulegen.

Stuttgart - Die endgültige Entscheidung, ob im Stuttgarter Westen ein neuer Obi-Baumarkt entstehen darf, wird wohl erst vor Gericht fallen. Die Interessengemeinschaft Hinterer Vogelsang (IG) – der Zusammenschluss der Handwerker des Gewerbegebiets beim Westbahnhof – wird Widerspruch gegen die von der Stadt Stuttgart Anfang des Monats erteilte Baugenehmigung einlegen. „Das haben die Mitglieder geschlossen entschieden“, sagt Gerd Kopf, der erste Vorsitzende der IG.

 

„Auch eine Klage wird von uns geprüft“, fügt der Anwalt, Steffen Waitzmann, an und bestätigt den Auftrag der IG, juristisch gegen die Baugenehmigung vorzugehen. Dadurch soll erreicht werden, dass die Genehmigung ihre Bestandskraft verliert, so Waitzmann. Das würde bedeuten, der Investor könnte zwar mit dem Bau beginnen, sollte die Baugenehmigung dann aber von einem Gericht gekippt werden, müsste er den Rückbau auf eigene Kosten abwickeln.

Zunahme des Verkehres durch den Neubau

Angriffspunkte sind aus Sicht der Interessengemeinschaft die Zulässigkeit großflächigen Einzelhandels in solch einem Gewerbegebiet und der durch den Neubau zunehmende Verkehr. „Wir werden jetzt erneut Akteneinsicht nehmen. Möglicherweise sind auch externe Gutachten notwendig“, erklärt Steffen Waitzmann. Nach Aussage von Gerd Kopf ist die Entscheidung, im Notfall auch eine Klage einzureichen, einstimmig gefallen. „Keiner scheut das Risiko oder die Kosten, vor Gericht zu ziehen“, so der IG-Vorsitzende, „wir wollen geschlossen etwas gegen dieses Projekt unternehmen.“

Das Bauvorhaben war von Beginn an umstritten. An der Stelle, an der der Botnanger Immobilieninvestor Widerker den neuen Markt errichten will, steht derzeit noch der älteste Handwerkermarkt der Stadt. Der City-Baumarkt hat eine Fläche von rund 1000 Quadratmetern und besteht seit 120 Jahren. Der Traditionsbetrieb soll einer 5000 Quadratmeter großen Filiale der Heimwerkerkette Obi weichen.

Bereits im Jahr 2006 hatte der Gemeinderat in einer Sondersitzung ein ähnliches Projekt desselben Investors abgelehnt. Auch jetzt hat sich der Rat mit großer Mehrheit gegen das Vorhaben ausgesprochen – abstimmen durften die Stadträte über das aktuelle Projekt allerdings nicht. Negative Folgen für das eigentlich für Handwerker vorgesehene Gebiet in der Nähe des Westbahnhofs, für den Handel in der Innenstadt und den Verkehr im dicht bebauten Westen werden befürchtet.

Bebauungsplan vom Verwaltungsgericht gekippt

Ein Bebauungsplan, der nach dem Willen des Gemeinderats keinen großflächigen Einzelhandel in dem Gebiet mehr zuzulassen sollte, wurde vom Verwaltungsgericht gekippt. Dieses Chance hat der Investor offenbar für seinen erneuten Anlauf genutzt.

Der Mietvertrag von Gunter Kemper und Harry Westermayer, den beiden Geschäftsführern des City-Baumarkts, läuft noch bis Ende 2015. Ob sie jedoch früher Platz für den Obi-Neubau machen werden, können sie derzeit noch nicht sagen.

Im Internet hat sich in den vergangenen Wochen Widerstand gegen das Projekt formiert. Am 13. Mai wurde im sozialen Netzwerk Facebook eine Gruppe mit dem Namen „Skandalbau Stuttgart West“ gegründet. Inzwischen haben sich mehr als 1100 Nutzer angeschlossen. Angesichts der geballten Kritik scheint es wenig verwunderlich, dass die Baumarktkette und der Grundstücksbesitzer und Investor selbst auf mehrfache Anfrage der Stuttgarter Zeitung keine Antworten geben wollen .

Neue Lieferstrategie

Aus diesem Grund lässt sich nur mutmaßen, inwieweit der geplante Obi-Markt im Stuttgarter Westen Teil der künftigen Strategie der Heimwerker-Kette sein wird. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Baumarktmanager“ erklärt der Vorstandsvorsitzende von Obi, Sergio Giroldi: „Wir wollen alle Vertriebswege vereinen.“ Sein Konzept sieht nach eigener Aussage vor, kleine Ladenflächen in den Innenstädten anzumieten, die dann von großen Märkten am Stadtrand beliefert werden. „In München testen wir dies derzeit“, sagt Giroldi und fügt an: „Von hier aus werden wir das Angebot von 2015 an über Deutschland und ganz Europa ausrollen.“ Die Idee: in den Satelliten in der City soll die Ware, je nach Größe, real oder virtuell vom Kunden begutachtet und gleich bestellt werden. Die Lieferung erfolgt, so das Ziel der Obi-Strategen, noch am selben Tag.

Auf die Frage, wie sich dieses neue Konzept angesichts des Projekts der Baumarkt-Kette am Westbahnhof auf Stuttgart auswirken wird, reagiert die Verwaltung zurückhaltend. „Die konkreten Bestandteile des Konzepts, das ja zunächst nur in München erprobt wird, sind der Stadtverwaltung nicht bekannt“, erklärt der Sprecher der Stadt, Fabian Schlabach. Nur so viel: die aktuell geplante neue Ampelschaltung an der Einfahrt des Gewerbegebiets soll uneingeschränkt Bestand haben und so leistungsfähig sein, „dass der Mehrverkehr des derzeit vorgesehenen Baumarkts abgewickelt werden kann, außerdem werden Kapazitäten darüber hinaus geschaffen“, erklärt der Pressesprecher.