Trotz der umstrittenen Pläne für Obi-Baumarkt im Stuttgarter Westen behauptet Baubürgermeister Matthias Hahn, den Willen der Stadträte nicht missachtet zu haben. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung spricht er von einem Routineverfahren. Das verwundert die Räte, die geschlossen gegen das Projekt gestimmt hatten.

Stuttgart - Es ist am Freitag das Gesprächsthema im Stuttgarter Rathaus. Wegen der umstrittenen Ansiedlung eines Obi-Baummarkts nahe des Westbahnhofs werden neue Vorwürfe gegen den Baubürgermeister laut. Matthias Hahn (SPD) äußert sich gegenüber der Stuttgarter Zeitung erstmals zu den Vorgängen und spricht von einem Routineverfahren.

 

Im Gewerbegebiet Unter dem Birkenkopf will der Botnanger Immobilieninvestor Widerker einen knapp 5000 Quadratmeter großen Obi-Markt ansiedeln. Eine entsprechende Voranfrage wurde vom Baurechtsamt positiv beschieden, obwohl alle Fraktionen im Gemeinderat sich ausdrücklich gegen ein solches Projekt ausgesprochen haben (die StZ berichtete).

Freie Wähler fordern Informationen

Als Reaktion auf die öffentlich gewordene Entscheidung des Baurechtsamtes fordern die Stadträte Aufklärung von den Behörden. „Wäre es nicht die Pflicht der Verwaltung gewesen, den Gemeinderat vom Auslaufen der Veränderungssperre zu informieren?“, heißt es in einer jetzt gestellten Anfrage der Freien Wähler. Zur Erklärung: mit Hilfe einer solche Sperre wurde bereits im Jahr 2006 ein fast deckungsgleiches Bauprojekt an selber Stelle einstimmig verhindert. Doch diese Sperre ist mittlerweile verstrichen, dem Baurechtsamt blieb somit keine Wahl, als die Anfrage zu genehmigen.

Wie nun aus Kreisen des Gemeinderats zu erfahren war, soll Baubürgermeister Matthias Hahn über die Pläne des Investors Bescheid gewusst haben. Mehrfach haben ihn Stadträte nach eigener Aussage darauf hingewiesen, dass hinter dem Westbahnhof Pläne für einen großen Baumarkt geschmiedet werden.

Scharfe Kritik am Baubürgermeister

„Wenn dem so ist, wäre das ein eklatanter Verstoß des Baubürgermeisters“, sagt der Fraktionschef von SÖS/Linke, Hannes Rockenbauch, „da kann man sich hintergangen fühlen.“ Auch die CDU-Fraktion ist verärgert: „Rechtlich stehen wir auf schwachen Beinen da“, sagt der Stadtrat Ulrich Endreß in Bezug auf die bereits genehmigten Anfrage. „Doch wir werden alles tun, um doch noch ein anderes Ergebnis zu erreichen.“ Zu Matthias Hahn sagt Endreß: „Es scheint, als habe er die Dinge laufen lassen, obwohl er davon gewusst hat.“

Der Baubürgermeister selbst hatte bislang auf Anfragen der Stuttgarter Zeitung nicht reagiert. Am Freitag gibt er sich dann jedoch große Mühe, die Aufregung zu dämpfen. „Es ist richtig, dass der Gemeinderat 2006 ein ähnliches Projekt abgelehnt hat“, sagt Hahn, „doch das bedeutet nicht, dass der Wille der Räte bei den aktuellen Entwicklungen missachtet wurde.“ Die damals verhängte Veränderungssperre sei nach drei Jahren abgelaufen. Anfang 2012 habe man dann einen neuen Bebauungsplan angeschoben. „Dieser verbietet zwar großflächigen Einzelhandel, der der Innenstadt schaden könnte“, sagt Hahn, „doch Handel an sich ist in diesem Gewerbegebiet nicht ausgeschlossen.“

Zu den Vorwürfen aus dem Rat sagt er: „Ich wurde vor drei Wochen das erste Mal auf die Pläne angesprochen.“ Die Anfrage sei jedoch schon Ende 2012 vom Baurechtsamt genehmigt worden. „Das ging als Routineverfahren durch die Ämter und ist nicht auf meinem Schreibtisch gelandet.“

Hahn sieht keinen Täuschungsversuch des Investors

Im Moment ruht der Antrag. „Wir werden erst im kommenden Jahr endgültig darüber entscheiden“, sagt der Baubürgermeister. Fragen zum Brand- und Naturschutz sowie ein Verträglichkeitsgutachten stehen noch aus. „In dem Gutachten sollen eventuelle Auswirkungen auf den Städtebau geklärt werden“, sagt Hahn.

Die Anfrage für den neuen Obi-Markt hat wohl auch deshalb kaum Aufsehen bei den Ämtern erregt, weil die Handelsfläche vom Investor offenbar klein gerechnet wurde. „Nur 2300 Quadratmeter sind laut dem Bauantrag für die Endverbraucher wirksam“, sagt Matthias Hahn, „der Rest des Marktes soll sich dagegen an Großkunden und Handwerker richten.“ Insgesamt soll der geplante Markt jedoch gut 5000 Quadratmeter groß werden. Einen Täuschungsversuch des Investors könne er angesichts dieses Vorgehens nicht erkennen, sagt Hahn. Doch auf die Frage, wie das Angebot für Endkunden und das für Großkunden in der Praxis voneinander getrennt werden soll, findet der Baubürgermeister keine Antwort. Es gebe noch ausreichend Zeit, um zu diskutieren, erklärt er. „Wir müssen eben auf eine maßvolle Größe des Projekts hinarbeiten“, sagt Hahn.