Die Pläne für einen 5000 Quadratmeter großen Baumarkt im Westen von Stuttgart sorgen für Ärger: Die erste Genehmigung der umstrittenen Obi-Planungen widerspricht dem aufgestellten Bebauungsplan.

Stuttgart - Die Situation spitzt sich zu. Bislang war in der Debatte um die umstrittene Ansiedlung eines rund 5000 Quadratmeter großen Obi-Baumarkts im Gewerbegebiet Unter dem Birkenkopf im Stuttgarter Westen von Versäumnissen und abgelaufenen Fristen die Rede. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hat die Verwaltung jedoch die Voranfrage eines Botnanger Investors genehmigt, obwohl sie nur wenige Monate zuvor exakt gegenläufige Ziele in einem neuen Bebauungsplan formuliert hatte. Zudem wird Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) von Seiten einzelner Stadträte der Lüge bezichtigt.

 

Zur Erklärung: Bereits im Jahr 2006 sollte ein knapp 1000 Quadratmeter großer Baumarkt an selber Stelle auf rund 5000 Quadratmeter vergrößert werden. Der Stuttgarter Gemeinderat hatte das damals mit einer sogenannten Veränderungssperre einstimmig verhindert. Nach aktuellen Aussagen aller Fraktionen hat sich der politische Wille im Stadtparlament seither nicht verändert. Jedoch hat das Baurechtsamt die Voranfrage des Grundstückseigentümers, der Widerker Unternehmensgruppe, positiv beschieden. Der Immobilieninvestor aus Botnang will auf dem betreffenden Gelände einen Obi-Baumarkt mit rund 5000 Quadratmetern errichten.

Der positive Bescheid des Baurechtsamts auf die Voranfrage von Widerker datiert von Ende 2012. Doch der Ausschuss für Umwelt und Technik hatte die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans bereits im Januar 2012 beschlossen. Darin wird ein größerer Baumarkt ausdrücklich ausgeschlossen. Mit Bezug auf die Adresse Unter dem Birkenkopf 13 bis 15 heißt es dort: „Bauliche Erweiterungen, Änderungen und Erneuerungen sind zulässig, sofern die genehmigte und bestehende Verkaufsfläche nicht erweitert wird.“ Man wolle dort keinen großflächigen Einzelhandel genehmigen, der Kunden aus dem Zentrum in den Westen abzieht.

Hahn will erst vor kurzem von den Vorgängen erfahren haben

Das Problem: der Aufstellungsbeschluss eines neuen Bebauungsplans allein hat keine rechtlich bindende Wirkung; er ist also noch nicht in Kraft. Experten berichten aber, im Normalfall würde eine Voranfrage, die den Zielen eines solche Planes widerspricht, ausgesetzt und der Gemeinderat informiert. Das ist jedoch nicht geschehen.

Entsprechend groß ist die Empörung über die mittlerweile öffentlich gewordenen Vorgänge. „Die Genehmigung der Anfrage kann ich schwer nachvollziehen“, sagt der Bezirksvorsteher des Stuttgarter Westens, Reinhard Möhrle. „Das kann ich mir nicht erklären, denn die Bauanfrage läuft dem Bebauungsplan total entgegen.“ Möhrle hatte im Juli 2013 erstmals Gerüchte über die Obi-Pläne gehört und per Mail bei der Stadt nachgefragt. Sein Schreiben liegt der StZ vor. Vom Stadtplanungsamt erhielt Möhrle folgende Antwort: „Der Baumarkt soll in seiner jetzigen Größe weiterhin möglich sein, es darf aber kein großflächiger Einzelhandel über 1200 Quadratmeter Nettofläche entstehen.“ Dabei hatte das städtische Baurechtsamt bereits mehr als ein halbes Jahr zuvor die Voranfrage des Investors positiv beschieden.

Zusätzlich werden von Seiten des Gemeinderats neue Vorwürfe gegen Baubürgermeister Matthias Hahn laut. Auf StZ-Nachfrage sagte Hahn vorige Woche, er sei vor weniger als einem Monat das erste Mal auf die Vorgänge hinter dem Westbahnhof hingewiesen worden. Die Sache sei ein Routineverfahren und daher nicht auf seinem Schreibtisch gelandet. Einige Stadträte widersprechen jetzt dieser Aussage: Sie hätten Hahn schon vor mehr als einem Jahr auf die angebliche Obi-Ansiedlung hingewiesen. „Wenn er sagt, er sei erst vor drei Wochen darauf angesprochen worden, ist das glatt gelogen“, sagt ein Stadtrat. Er selbst habe die Pläne angesprochen.

Scharf: „Es ist noch nichts entschieden“

Die Verwaltung erklärt die Vorgänge so: „Derzeit gilt der Bebauungsplan von 1998. Zwischendurch gab es einen Plan von 2008, der aber vor zwei Jahren von einem Gericht für nichtig erklärt wurde – dieser hätte den Einzelhandel fast völlig ausgeschlossen“, sagte der Sprecher der Stadt, Andreas Scharf. Die genehmigte Voranfrage der Obi-Pläne sei im ausdrücklichen Einvernehmen zwischen Baurechts- und Stadtplanungsamt getroffen worden, so Scharf. Zudem sei noch keine definitive Entscheidung gefallen: „Der Bauvorbescheid ist nicht zwingend bindend für den Bauantrag. Es ist deshalb noch nichts entschieden, das Verfahren ist seit August ausgesetzt.“

Baubürgermeister Matthias Hahn äußerte sich am Montag persönlich nicht zu den Vorwürfen, stattdessen heißt es in einer Pressemitteilung: „Bürgermeister Hahn ist vor etwa drei Wochen durch die Mail eines Stadtrats erstmals konkret mit dem Thema Bauvoranfrage konfrontiert worden. Es mag sein, dass er auch vor einem Jahr mal von Stadträten auf das Thema angesprochen worden ist, aber wenn, dann nebenbei und allgemein und nicht konkret wegen der Bauvoranfrage.“