Der Obstbauberater Andreas Siegel zeigt 40 Kursteilnehmern den Winterschnitt. Mit den richtigen Tipps wachsen die Bäume deutlich besser.

Möhringen - In der Mitte wächst ein Baum am stärksten. „Sonst wäre es kein Baum“, sagt Andreas Siegele. Unter den Blicken von 40 Augenpaaren deutet er auf die einzelnen Teile des jungen Obstbaumes vor sich und benennt Mitte und Leitäste. Wie ein Baum aussieht, weiß natürlich jeder der Anwesenden. Aber der Obstbaumschnitt ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Was muss runter und was nicht?

 

Um das zu beantworten, gibt Siegele seit vielen Jahren Winterschnittkurse. Am vergangenen Freitagnachmittag hat der Experte sein Wissen auf einer Obstbaumwiese am Rohrer Weg in Möhringen geteilt. „Wenn ich will, dass der Baum größer wird, schneide ich viel im Winter“, sagt Siegele und lässt seinen Worten Taten folgen. Mehrere Äste fallen auf das Gras zu seinen Füßen, Opfer von Siegeles Gartenschere. Mit dem Winterschnitt gebe er dem Baum Anreiz zum Wachsen. Wo er die Hälfte wegschneide, wachse doppelt so viel nach.

Die Mienen einiger Kursteilnehmer wirken trotz dieser Auskunft etwas besorgt angesichts des radikal zurechtgestutzten Bäumchens. „Keine Sorge, was ich da jetzt absäge, interessiert den Baum eh nicht“, sagt Siegele. Im Winter werde die gesamte Energie des Baumes in die Wurzeln abgezogen, die Äste seien quasi wertlos. Die Zuhörer zeigen sich interessiert, immer wieder gibt es Fragen. „Sind das keine Konkurrenztriebe?“, will einer der Kursteilnehmer wissen. Die beiden entsprechenden Zweige gefallen auch Siegele nicht. „Wenn zwei Triebe zu dicht nebeneinander wachsen, gibt es eine Aufholjagd. Dann wollen beide Chef vom Ast sein“, sagt der Obstbauberater und schneidet einen der Konkurrenten ab. Bei allem Eifer der Baumstutzer sollte das Gewächs aber noch ein paar Äste behalten. Siegeles Tipp dazu lautet: „Nicht gucken, was noch runter kann, sondern was schon unten ist.“

Unter den Anwesenden ist auch Ursula Minges von der Schutzgemeinschaft Rohrer Weg. Sie hat den Schnittkurs zusammen mit dem Förderverein Stuttgarter Apfelsaft wieder organisiert. Finanziert wird der Kurs durch Spenden und den Verkauf eines Kalenders. Siegele kommt seit 2003 jedes Jahr auf die Wiese am Rohrer Weg. Unter seiner Pflege haben sich auch fast kaputte Bäume erholt und tragen wieder schöne Äpfel.

„Es ist sein Sport, dass er kranken Bäumen zu neuer Blüte verhilft“, sagt Minges. Der Erhalt der Streuobstwiese mit den bis zu 100-jährigen Obstbäumen liegt ihr am Herzen: „Die Wiese ist nicht nur eine wichtige Frischluftschneise für die Stadt, sondern auch die Heimat von Bienen und mehr als 40 Vogelarten.“