Der Intendant Thomas Bellut erhält Rückendeckung für den Gang nach Karlsruhe. Selbstkritik des Senders wird von einigen Fernsehräten aber auch gefordert. Nicht alle Unzufriedenen seien Spinner.

Mainz - Prall gefüllt war der Themenplan sowieso: Bei der letzten Sitzung des ZDF-Fernsehrats im Jahr 2020 musste sich das Aufsichtsgremium unter anderem mit dem Haushaltsplan 2021, mit dem Jugendschutz, mit Gender- und Diversity-Fragen sowie der Entwicklung von ZDF Neo und Arte beschäftigen. Aktuelle Ereignisse aber haben ein weiteres Thema auf Platz eins dieser ersten via Stream öffentlich übertragenen Sitzung des Fernsehrats gesetzt: das Vorgehen nach dem Scheitern der Erhöhung der Rundfunkgebühr um monatlich 86 Cent.

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei „zum Spielball der Politik in Sachsen-Anhalt geworden“, befand gleich eingangs der ZDF-Intendant Thomas Bellut. Dadurch werde letztlich das infrage gestellt, was das Verfahren zur Gebührenerhöhung absichern solle: die politische Unabhängigkeit der Sender.

Keine Kontrolle von Inhalten

Ihren Finanzbedarf melden die Sender bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (Kef) an. Die besteht aus 16 unabhängigen Sachverständigen, einem aus jedem Bundesland. Sie prüft die Senderwünsche und legt bei erkanntem Mehrbedarf den Länderparlamenten eine konkrete Gebührenerhöhungsempfehlung vor – und zwar „unter Beachtung der Programmautonomie der Rundfunkanstalten“. Will heißen, der Finanzhahn darf nicht zur Kontrolle missliebiger Inhalte oder zur Lenkung in genehme Richtungen missbraucht werden. Das ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt worden.

Die Kef überprüft nicht die Sinnhaltigkeit von Programmen, deren relative Notwendigkeit oder Übereinstimmung mit dem Programmauftrag. Diese Debatte gehört in die Öffentlichkeit. Weil aber nicht klar ist, wie die in den Länderparlamenten geführt werden könnte, ohne das Gebot der Staatsferne der Sender zu verletzen, haben die Länder in früheren Fällen den Empfehlungen der Kef zugestimmt. Diese Routine ist nun an Sachsen-Anhalt gescheitert. Die dortige CDU-Fraktion im Landtag hatte angedroht, mit der AfD gegen die Erhöhung zu stimmen. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zog die Beschlussvorlage zum Rundfunkstaatsvertrag daraufhin zurück.

Sachsen-Anhalt als Symptom

Das ZDF, die ARD und der Deutschlandfunk haben nun das Bundesverfassungsgericht angerufen. Für diesen Schritt hat Thomas Bellut die Zustimmung des Fernsehrats erhalten. Durch Wortmeldungen in der von Marlehn Thieme, der Vertreterin der evangelischen Kirche, geleiteten Sitzung wurde aber schnell klar, dass sich dahinter keine einheitliche Beurteilung der Lage verbirgt.

Steffen Kampeter etwa, außerhalb des Fernsehrats Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), verwahrt sich gegen ein Framing, das er zu erkennen meint: dass Kritik am öffentlich-rechtlichen System ausschließlich von Spinnern und ultrarechten Demokratiefeinden komme. „Sachsen-Anhalt ist nicht die Ursache, sondern das Symptom“, sagt Kampeter und meldet Gesprächsbedarf darüber an, warum viele Bürger unzufrieden mit den Sendern seien.

Kein Automatismus der Erhöhung

Unterstützung erhält er darin unter anderem von seinem Fernsehratskollegen Holger Schwannecke, dem Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. „Wir müssen nach draußen blicken“, fordert der. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sei gerade auch in den Betrieben ein Automatismus der Gebührenerhöhungen nicht vermittelbar.

Für 2021 hat das ZDF Aufwendungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro geplant. 2,044 Milliarden davon stammen aus Rundfunkbeiträgen. Allerdings geht diese Zahl im Plan von der Gebührenerhöhung aus. Sollte die nicht kommen, müsse kurzfristig an Programmaufträgen gespart werden, warnt Bellut. Bis Ende 2020 sei der vor zehn Jahren begonnene dauerhafte Personalabbau von 562 Vollzeitstellen erfolgt, von rund zehn Prozent der Belegschaft also. In diesem Bereich sei dann nichts mehr zusätzlich einsparbar.