Präsident Macron schenkt den Franzosen 138 Euro: Das Parlament hat die Abschaffung der Zwangs-Rundfunkgebühr beschlossen. Ein Modell auch für Deutschland?
Frankreich stellt die Finanzierung seiner öffentlich-rechtlichen Medien auf ein neues Fundament: Nach der Nationalversammlung hat am Donnerstag auch das französische Oberhaus, der Senat, dem Ende der Rundfunkgebühr zugestimmt. Die politische Mitte und Rechte stimmte dafür, nachdem Regierungssprecher Olivier Véran erklärt hatte: «Wir geben den Franzosen das Geld zurück.»
Emmanuel Macron hatte die Abschaffung der Medienabgabe im Präsidentschaftswahlkampf dieses Frühlings versprochen. Dieser „Redevance“ genante Beitrag beträgt bisher 138 Euro, bedeutend weniger als in Deutschland, wo pro Jahr und Haushalt 220,32 Euro fällig werden. In Frankreich wird er im Rahmen der Wohnsteuer fällig.
78 Prozent der Franzosen begrüßen die Entscheidung
Populär war die Redevance in Frankreich ebenso wenig wie der Rundfunkbeitrag bei den Deutschen. Laut einer Blitzumfrage der konservativen Zeitung „Le Figaro“ begrüßen 78 Prozent der Befragten nun eine Abschaffung. Die Linke wirft Präsident Macron hingegen vor, das Ende der Mediengebühr sei eine Mogelpackung. Anders als behauptet stärke sie die Kaufkraft der Franzosen keineswegs. Die TV-Sender France 2, France 3, France 4, France 5, France 24, TV5 Monde, Arte-France, Radio France International (RFI), Radio Bleu sowie einige Übersee-Sender liefen ja ungeschmälert weiter, und ihr Budget von 3,85 Milliarden Euro werde auch nicht gekürzt; vielmehr werde es in Zukunft aus der Mehrwertsteuer TVA finanziert – das heißt von allen Steuerzahlern.
Von den 28 Millionen französischen Haushalten zahlen heute in Frankreich nur noch 23 Millionen die Gebühr. Ausgenommen sind Sozialfälle sowie Menschen ohne TV-Gerät. Diese werden immer zahlreicher: Heute haben 92 Prozent zuhause einen Fernseher stehen, nachdem es vor einem Jahrzehnt noch 98,3 Prozent gewesen waren. Jüngere Bürger ziehen, ganz wie in Deutschland, längst mobile Bildschirme vor – Computer, Tablets, Handys. Sie verfolgen Filme, Sportanlässe und dergleichen lieber im Streaming, also nicht mehr über die französischen Fernsehkanäle, sondern über das Angebot amerikanischer Großkonzerne.
Das Problem sind die Streamindienste
Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in ganz Europa überlegen sich seit langem, wie sie der neuen Konkurrenz von Netflix, Amazon und Disney+ begegnen können. Die Abschaffung der französischen Rundfunkgebühr verfolgt allerdings gar nicht dieses Ziel. Macron will sich vielmehr in erster Linie als Präsident darstellen, der den Franzosen die unbeliebte Redevance vom Hals schafft.
Viele Medienschaffende ärgern sich, dass der Präsidenten die Gelegenheit nicht ergreift, lieber die Streaming-Frage und -Taxierung zu regeln. Sie verdächtigen MaEcron, er wolle mit dem Ende der Redevance die politische Kontrolle über den öffentlichen Rundfunk ausbauen. Über den Staatshaushalt hätte die Regierung womöglich mehr Einfluss als über eine fixe Abgabe. Die Zeitung „Le Monde“ bezeichnet die Abschaffung der Rundfunkgebühr deshalb als einen „demokratischen Rückschritt“.
Die Rechten sind zufrieden
Auch Filmemacher und Kulturschaffende laufen Sturm gegen Macrons Vorhaben. Der Drehbuchautor Jacques Kirsner brachte es in einem Zeitungsbeitrag jüngst auf den Punkt: „Die Rundfunkgebühr gewährleistet die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Unternehmen. Sie abzuschaffen, hieße, die Finanzierung in die Hände politischer Machthaber zu geben!“
Kaum je offen ausgesprochen geht es im Hintergrund auch um den politischen Kurs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die vielverfolgte „Tagesschau“ von France 2 gilt wie die meisten öffentlichen Sender als linkslastig. Der rechte Europa-Abgeordnete Gilbert Collard erklärte deshalb, die Abschaffung der Rundfunkgebühr sei eine „gute Nachricht“: „Wir werden im Staatsfernsehen sicher weiterhin beschimpft werden, aber wenigstens haben wir nicht mehr das Gefühl, auch noch dafür zahlen zu müssen“, erklärte der treue Weggefährte des rechtsnationalen Ex-Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour.
Kein klares Ergebnis
Auch wenn die zentralisierte, von oben angestoßene Mediendebatte in Frankreich anders verläuft als in Deutschland, macht sie klar, wie ähnlich in Ländern mit Rundfunkgebühren die Fronten verlaufen und argumentiert wird. Nur Frankreich versteht sich allerdings in der Kunst, die verschiedenen budget-, medien- und parteipolitischen Aspekte in eine eher chaotische Debatte zu vermengen. Das Resultat ist entsprechend unübersichtlich.