Eine Rektorin möchte das Licht im Flur ausschalten und darf nicht. Ein Bezirksvorsteher möchte die Heizung ausdrehen und kann nicht. Frust über Zuständigkeiten und Vorschriften.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Jeden Morgen ärgert sich Erika Diemer-Hohnholz, wenn sie am helllichten Tag das Licht in den Fluren brennen sieht. Doch einfach auf den Aus-Schalter drücken kann die Rektorin der Österfeldschule nicht. „Die Hausmeister sagen, sie müssen das Licht aus Unfallschutzgründen anlassen. Das widerspricht meinem Inneren total“, sagt die Leiterin der Vaihinger Grundschule. Sie möchte an ihrer Schule nicht erst morgen, sondern schon heute Energie sparen, doch bürokratische Vorgaben binden ihr die Hände.

 

Die Pressestelle der Stadt bestätigt, dass über die Arbeitsstättenrichtlinie und gesetzliche Normen vorgegeben sei, wie hell Flure und Zimmer in öffentlichen Gebäuden zu sein haben. Bei Anwesenheit von Personen sei „eine ausreichende Beleuchtung“ vorgeschrieben; in leeren Fluren und Räumen könnten die Lampen ausgeschaltet werden. „Sinnvoll dazu ist eine automatische Beleuchtungsregelung“, heißt es seitens der Stadt. Doch in der Österfeldschule gibt es jene Bewegungsmelder nicht – folglich brennt das Licht dort permanent. Und kurzfristig wird es auch keine Beleuchtungsregelung geben, denn eine umfassende Sanierung des Schulgebäudes verschiebt sich seit Jahren ins Ungewisse. „Ich wünsche mir eine schnelle Lösung“, sagt Diemer-Hohnholz.

Strumpfhose an statt Heizung hoch

Trotz brütender Hitze denkt die Schulleiterin auch schon an die nächste Heizperiode. Es sei, sagt sie, kaum möglich, die Heizung vernünftig zu drosseln. Sie sei zentral reguliert und manche Räume sehr heiß, andere sehr kalt. „Wegen Corona müssen wir viel lüften und heizen die Straße. Wo soll das hinführen?“, fragt die Rektorin. Sie möchte an allen Stellen, wo es ohne große Einschränkung möglich ist, das Heizen drosseln. Sanitärräume, findet Diemer-Hohnholz, müssen nicht warm sein, ebenso sollten Heizkörper neben der Eingangstüre und in der Turnhalle aus bleiben. Man müsse dann halt einen warmen Pullover anziehen und eine Strumpfhose. „Wir müssen das Bewusstsein schärfen und uns daran gewöhnen, dass es mal nicht mehr im T-Shirt geht“, sagt Diemer-Hohnholz. Sie fordert Strategien, wie an Schulen Energie gespart werden kann, die über bauliche Maßnahmen hinausgehen. „Es reicht nicht, gut zu dämmen.“

Einen Steinwurf entfernt in einem anderen öffentlichen Gebäude wird ebenfalls übers Energiesparen nachgedacht: im Vaihinger Bezirksrathaus. „Die aktuelle Hitzewelle spricht dafür, dass man sich mit dem Thema Klimawandel und Energiesparen auseinandersetzt“, sagt der Bezirksvorsteher Kai Jehle-Mungenast. Auf Licht, Heizung und Wasserverbrauch könnten er und sein Team im Bezirksrathaus zwar Einfluss nehmen. „Wir scheitern aber an der Bausubstanz des Gebäudes“, sagt er. Da das Haus unter Denkmalschutz stehe, funktioniere das Energiesparen dort „nicht annähernd so, wie wir uns das wünschen“. Die Fensterscheiben seien so undicht, dass man Papier durchschieben könne. „Im Winter heizen wir zum Fenster raus, da blutet mir das Herz. Und im Sommer wären wir ohne Ventilator oder mobilem Klimagerät gar nicht arbeitsfähig“, sagt Jehle-Mungenast.

Klima muss Priorität haben

Was dem Bezirksvorsteher Sorgen macht, ist, dass sich daran in absehbarer Zeit nichts ändern wird. Denn neue, dichte Fenster wurden längst beantragt, aber abgelehnt. Die Gründe hätten „irgendwo zwischen Haushaltsengpass und Denkmalschutz“ gelegen. Kern des Problems sei, so der Bezirksvorsteher, dass öffentliche Gebäude in der Verwaltung des Liegenschaftsamtes lägen und bauliche Maßnahmen dort nach Wichtigkeit kategorisiert würden. „Meine Erwartung wäre, dass Maßnahmen, die zur Rettung der Klimafrage beitragen, nicht der Kategorie ,nice to have‘ angehören“, sagt Jehle-Mungenast. Sie sollten absolute Priorität haben. „Denkmalschutz darf nicht mehr Wert haben als unser Klima. Das ist im Moment noch so.“ Natürlich sei Denkmalschutz wichtig, „ich plädiere aber eher für das Klima und gute Arbeitsplätze“.

Der Bezirksvorsteher wünscht sich, dass über kleinere Baumaßnahmen in öffentlichen Gebäuden dezentral entschieden werden kann. Optimal wäre für Jehle-Mungenast ein kleines Budget, über das eigenständig verfügt werden kann, um beispielsweise einen Fensterbauer zu beauftragen. Und er wünscht sich mehr Eigenverantwortung bei der Gebäudetechnik und nennt ein groteskes Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte: Im Häussler-Bürgerforum würden derzeit trotz Hitze die Heizungen laufen. „Wir können sie nicht ausschalten, sie werden zentral gesteuert“, sagt Jehle-Mungenast. Er selbst wisse weder, wo der Heizungsraum sei, noch habe er einen Schlüssel oder eine Berechtigung dafür. Bislang habe er nicht herausfinden können, wer zuständig ist und am nötigen Schalter drehen könne.

Habeck plant Verordnung für öffentliche Gebäude

Immerhin: Der Bundesminister Robert Habeck hat am Donnerstag ein Energiesicherungspaket vorgelegt, mit dem Ziel, Gas einzusparen und effizient zu nutzen. Unter anderem ist geplant, dass in öffentlichen Einrichtungen Flure, Foyers oder Technikräume nicht mehr geheizt werden.