In keiner großen Branche fordern die Gewerkschaften mehr in der Tarifrunde 2016: Verdi und der Beamtenbund wollen sechs Prozent höhere Gehälter im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen durchsetzen. Die Arbeitgeber bringen zusätzliche Brisanz ein.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Einen Spitzenwert setzen die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in der Tarifrunde 2016: Sechs Prozent höhere Gehälter wollen Verdi und der Deutsche Beamtenbund für die 2,14 Millionen Beschäftigten der Kommunen und des Bundes durchsetzen – keine andere große Gewerkschaft legt die Messlatte in diesem Jahr so hoch.

 

Verdi-Chef Frank Bsirske will mit klaren Gehaltszuwächsen den privaten Konsum ankurbeln. Und er argumentiert angesichts des Bedarfs an Nachwuchs mit der  Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes gegenüber der Privatwirtschaft, weil gut jeder fünfte Beschäftigte in den nächsten Jahren ausscheiden werde. Verdi-Landesvize Dagmar Schorsch-Brandt betonte gegenüber der StZ, es gebe Nachholbedarf gegenüber der allgemeinen Einkommensentwicklung vor allem bis 2008. Rechnerisch tue sich eine Lücke von drei Prozentpunkten seit dem Jahr 2000 auf. In der Bundestarifkommission gab es mehrere Gegenstimmen für den Beschluss.

Tarifpaket würde 5,6 Milliarden Euro kosten

Beamtenbund-Vize Willi Russ bezeichnete die Staatseinnahmen als stabil, auch wenn man sich der schwierigen Haushaltslage einiger Kommunen bewusst sei. Die Tarifeinigung müsse später zeit- und inhaltsgleich auf die Beamten und Versorgungsempfänger übertragen werden, mahnte er. Nach Darstellung der kommunalen Arbeitgebervereinigung (VKA) würde eine Umsetzung der Forderungen 5,6 Milliarden Euro kosten – jeder zusätzliche Prozentpunkt Lohn belaste die Kommunen mit jährlich 900 Millionen Euro.

Angesichts angespannter Haushalte seien die Spielräume begrenzt, mahnte VKA-Präsident Thomas Böhle. Weder die Tarifentwicklung seit 2008 noch konkrete Gehaltsvergleiche einzelner Berufsgruppen stützten die „Behauptung des vermeintlichen Nachholbedarfs“. Im Gegenteil: gerade in den unteren Entgeltgruppen seien die Beschäftigten gegenüber der Privatwirtschaft deutlich im Vorteil.

Hinweis auf Flüchtlinge getadelt

Böhle hatte in einem Interview auf die Flüchtlingskrise hingewiesen: Zwar seien zum Abbau der Arbeitsverdichtung Neueinstellungen nötig – diese würden aber durch starke Entgeltzuwächse erschwert. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezeichnete es als „unverfroren“, die Flüchtlinge gegen die Beschäftigten „auszuspielen“. Weitere Brisanz dürfte in der Tarifrunde aufkommen, weil die Arbeitgeber eigene Forderungen einbringen. So soll die betriebliche Altersvorsorge reformiert werden – Leistungseinschnitte werden einkalkuliert. Gründe sind die steigende Lebenserwartung und die Niedrigzinsphase.

Die Tarifverhandlungen beginnen am 21. März in Potsdam. Weitere Termine sind für den 11./12. und 28./29. April geplant.