Die Aggression gegen Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes nimmt zu. Der Beamtenbund fordert konkrete Schutzmaßnahmen gegen Attacken und Beleidigungen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Köln - Die Zunahme von Aggression ist ein gesellschaftliches Phänomen. Doch immer häufiger entlädt sie sich gegen staatliche Institutionen und Bedienstete. „Die Bedrohung gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist präsent und virulent“, sagte der Beamtenbund-Vorsitzende Klaus Dauderstädt auf der alljährlichen Beamtentagung in Köln.

 

Zunehmend geraten Mitarbeiter der Jobcenter in den Blickpunkt: Zuletzt erlag Anfang Dezember ein 61-jähriger Beschäftigter in Rothenburg ob der Tauber nach einem Messerangriff seinen Verletzungen. Auch Gerichtsvollzieher oder Sachbearbeiter im Finanzamt, die Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Zugbegleiter in S-Bahnen, Mitarbeiter der Ordnungsämter und Führerscheinstellen sowie Angehörige des Medizinischen Dienstes bei Feststellung der Pflegestufe – sie alle können von Ausbrüchen unzufriedener Menschen berichten. In einer Untersuchung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in NRW ist von einer „fast als alltäglich empfundenen Beleidigungskultur“ die Rede.

Die Wildwest-Methoden sind vielfältig: Die Bandbreite reiche von der Beschimpfung am Schalter oder Telefon bis zu Rüpeleien und körperlichen Attacken, so Dauderstädt. Tausendfach gewähre der Beamtenbund jährlich Mitgliederrechtsschutz, um Schmerzensgeldforderungen von Polizisten durchzusetzen. Auch in den Schulen komme Gewalt täglich vor. „Nicht von ungefähr sind Burnout und Dienstunfähigkeiten unter Lehrkräften Tagesthema.“

Berlin: 16 körperliche Angriffe gegen Polizisten pro Tag

Bundesinnenminister Thomas de Maizière begrüßte den Schwerpunkt der Tagung. „Niemand erwartet von den Bürgern einen Untertanengeist gegenüber Mitarbeitern im öffentlichen Dienst“, sagte er. „Aber die hohe Zahl von Gewalttaten vor allem gegen Polizeibeamte, aber auch gegen Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit ist nicht hinnehmbar.“ Allein in Berlin gebe es 16 körperliche Angriffe pro Tag gegen Polizisten, schilderte der CDU-Politiker. Ein Grundmaß von Respekt und Höflichkeit auch bei negativen Entscheidungen könne man von den Bürgern erwarten. Gleichwohl sei das Fehlverhalten einzelner Beamter nicht zu leugnen. Weil diese Fälle das Vertrauen in den Staat zerstören, müsse man daraus lernen. Die Bundesregierung wolle mit den Ländern die Ursachen prüfen und auf die Trends reagieren, so de Maizière. Die Innenministerkonferenz hatte jüngst ein Gesamtlagebild in Auftrag gegeben, das es noch nicht gibt.

Die vielfältigen Ursachen seien nicht in kurzer Zeit umzudrehen, sagte Dauderstädt. „Soziologische Dynamik bewegt sich in Generationen.“ Doch forderte er konkrete Gegenmaßnahmen. Beispielhaft nannte er Überwachungsgeräte wie Metalldetektoren am Eingang und Alarmsysteme wie in Banken sowie den Umbau unübersichtlicher Einzelbüros zu größeren Einheiten. Auch brauche es für den Notfall mehr verfügbares Sicherheitspersonal in der Nähe und eine Deeskalationsschulung der Mitarbeiter. Ferner müsse die Politik den Sinn ihrer Entscheidungen besser erklären.

Gewerkschaften rufen zu Schweigeminute auf

In Bayern hat man sich laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) seit 2010 einen statistischen Überblick verschafft und die Gewaltlage bei der Polizei analysiert. Praktisch jeder dritte Polizist erlebt demzufolge jedes Jahr einen Angriff. Mehrere Millionen Euro seien schon in Schutzmaßnahmen investiert worden. Zudem gebe es ein neues Konzept zur psychologischen Betreuung angegriffener Polizisten. Für die Zukunft forderte Herrmann vor allem schärfere Strafen für die Gewalttäter.

Generell riskant ist auch die Arbeit im Gefängnis: Am 20. August 2014 kam es in der Jugendhaftanstalt Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis) zu einer Massenschlägerei von Häftlingen. Von 16 Beamten, die schlichten wollten, sind sechs nun dienstunfähig. In einer Übersicht für die CDU-Landtagsfraktion hat das baden-württembergische Justizministerium im Herbst 123 schwere Vorfälle binnen zehn Jahren auflistet. Demnach waren die Justizvollzugsbeamten im Südwesten im Vorjahr an die 15 mal Leidtragende massiver Attacken.

Für diesen Dienstag um 12.15 Uhr rufen drei Fachgewerkschaften des Beamtenbundes (Komba, VBBA, GdS) zu einer Schweigeminute für die Opfer in den Arbeitsagenturen und Jobcenter auf.