Bis Anfang 2015 soll in Stuttgart ein so genanntes Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr eingeführt werden. Davon profitieren Geringverdiener und Erwerbslose. Nun geht es darum, wie das Sozialticket gestaltet wird.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - In Stuttgart soll bis Anfang 2015 ein Sozialticket eingeführt werden. Dann wird die Monatskarte für zwei Zonen in der Landeshauptstadt für Bedürftige nur noch 30 Euro kosten. So hat es die Ratsmehrheit in den Haushaltsberatungen festgelegt. Bei einer Anhörung am Dienstagabend im Rathaus ging es auch um die Frage, in welchem Umfang die Kosten der Stadt steigen werden. Und die Forderung wurde laut, ein Sozialticket im gesamten VVS-Gebiet einzuführen.

 

Bisher gibt es in der Landeshauptstadt zwar noch kein Sozialticket, aber die Stadt tut heute schon etwas für Geringverdiener und Erwerbslose zur Verringerung der Mobilitätskosten. So erhalten Inhaber der Bonus-Card, das sind unter anderem die Bezieher von Hartz IV oder sogenannte Schwellenhaushalte mit niedrigem Einkommen, für ihre Monatskarte einen Zuschuss von 15,50 Euro. Dadurch kostet etwa das 9-Uhr-Umweltticket für zwei Zonen statt 60,70 Euro noch 45,20 Euro, das Jedermann-Ticket mit der gleichen Reichweite statt 78,50 noch 63 Euro. Letzteres soll für diese Gruppe künftig zum Preis von 30 Euro abgegeben werden.

Im vergangenen Jahr haben 27 Prozent der knapp 66 500 Bonuscard-Inhaber diesen Mobilitätszuschuss in Anspruch genommen und insgesamt rund 141 600 Tickets gekauft. Die Stadt hat dafür 2,1 Millionen Euro ausgegeben. „Wir fangen nicht bei Null an“, sagte Horst Stammler, Geschäftsführer beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), der mit der städtischen Verkehrsgesellschaft SSB das Sozialticket bis Ende Mai entwickeln soll.

Die Frage ist, wie hoch die Kosten sein werden

Eine spannende Fragen wird sein, in welchem Umfang die Ausgaben der Stadt steigen werden. In der Kämmerei rechnet man mit Mehrausgaben von mindestens 2,8 Millionen Euro im Jahr, vorausgesetzt, die bisherigen Nutzer bleiben bei ihrer Ticketart. Zumeist ist das eine beschränkte Umwelt-, Senioren- oder auch eine Kinderkarte. Sie erhielten dann eben einen höheren Zuschuss. Die Rechnung reicht aber bis zu 17 Millionen Euro Mehrkosten, würden alle Anspruchsberechtigten künftig das günstige Jedermann-Ticket kaufen.

Letzteres ist wohl eher nicht zu erwarten, das machten die Vorträge von Vertretern der Verkehrsverbünde Rhein-Ruhr (VRR) und Berlin-Brandenburg (VBB) deutlich, die ein Sozialticket anbieten. So liegt der Anteil der Neukunden beim VRR bei nur neun Prozent, sagte Till Ponath, der Marketingleiter des Verbundes.

SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter, der sich neben Vertretern der Linkspartei bei der Anhörung für das Sozialticket stark machte, geht davon aus, dass die Ausgaben der Stadt von 2,1 auf 4,3 Millionen Euro steigen werden. Angesichts auch vorhandener skeptischer Stimmen in der Verwaltung sagte Kanzleiter: „Wir wollen das und wir machen das, wir haben keinen unverbindlichen Beschluss gefasst.“ Stadträtin Ulrike Küstler von der Linkspartei betonte, es könne nicht sein, dass die Stadt von April an ein vergleichbares Jobticket so subventioniere, dass es für den Beschäftigten noch 30 Euro koste, Hartz-IV-Empfänger aber deutlich mehr bezahlen müssten. Ein Betroffener erklärte: „Ich zahle weiter 45,20 Euro – das ist eine eklatante Gerechtigkeitslücke.“

Eine Ausdehnung auf die Region steht zurzeit nicht zur Debatte

Der kaufmännische Vorstand der SSB, Jörn Meier-Berberich, nannte die Entscheidung für ein Sozialticket „einen gewaltigen Schritt nach vorn“, wobei ihm klar sei, „dass das den Betroffenen nicht ausreicht“. Dies hatte Siglinde Engelhardt vom Erwerbslosenausschuss der Gewerkschaft Verdi erklärt. Sie sagte, das Sozialticket dürfte nicht teurer sein als 20 Euro, da im Hartz-IV-Regelsatz für Fahrtkosten nur 19,90 Euro enthalten seien. Vertreter der Linkspartei aus der Region, so Regionalrat Christoph Ozasek und der Esslinger Kreisrat Peter Rauscher, forderten, das Sozialticket müsse auf die umliegenden Landkreise in der Region ausgedehnt werden.

Dies haben in den vorgestellten Verkehrsverbünden die Landesregierungen ermöglicht. Im VRR zahlt Nordrhein-Westfalen jährlich rund 15 Millionen Euro für das Sozialticket, wobei der Preis von 29,90 Euro auf über 30 Euro erhöht wird, weil die Landesmittel nicht mehr reichen. Im VBB trägt Brandenburg 2,5 Millionen Euro, bei einem Defizit von 2,9 Millionen Euro durch das Sozialticket, Berlin übernimmt elf Millionen Euro, dennoch musste man den Ticketpreis von 33 auf 36 Euro erhöhen. CDU-Stadtrat Jürgen Sauer findet, dass ein Landeszuschuss „zwingend notwendig wäre“. Zur Forderung eines Sozialtickets für die ganze Region sagte VVS-Geschäftsführer Horst Stammler: „Wir haben nur einen Beschluss der Stadt Stuttgart und nicht der Region oder der Kreise.“