Der Öffentliche Personen Nahverkehr in der Region Stuttgart könne aus sich heraus nicht mehr wachsen, sagen die Experten und fordern zusätzliche Impulse durch die Politik – etwa für bessere Takte und neue Tarife für S-Bahn und Co..

Stuttgart - Im Jahr 2011 ist der aktuelle Regionalverkehrsplan beschlossen worden – mit Zahlen, die 1995 erhoben worden waren. Die Aktualisierung ist also überfällig. Ein erster Schritt ist die am Montag vorgestellte Prognose für den Verkehr im Jahr 2025, die nun die Grundlage für weitere Untersuchungen ist. Dieser Studie liegen verschiedene Annahmen zugrunde – etwa dass die Bevölkerung in der Region Stuttgart bis 2025 leicht um 50 000 Personen auf 2,62 Millionen sinkt. „Die Mobilität ist für einen Ballungsraum mit hoher Arbeitsplatzdichte, starkem Transportbedarf der Industrie und einem großen Anteil an Transitverkehr ein wichtiges Thema“, sagte der Planungsdirektor der Region, Thomas Kiwitt. Zudem zeigten die zahlreichen Staus, dass die „Grenzen der Infrastruktur“ erreicht seien. An der Grenze seien aber auch die Belastungen der Bevölkerung durch den Verkehr. „Bei Feinstaub und Lärm sind die Menschen am Limit“, sagt Kiwitt. Der Regionalverkehrsplan müsse Konzepte entwickeln für diese Herausforderungen, dafür sei die Prognose eine „sehr belastbare Datenbasis“. Ihr liegt zugrunde, dass rund 80 Ausbauprojekte im Schienen- und Straßennetz verwirklicht werden – darunter sind Stuttgart 21, aber auch der Ausbau der großen Achsen rund um Stuttgart.

 

„Weniger Menschen, weniger Wege“, ist laut Kiwitt eine zentrale Botschaft der Studie. Dennoch gibt es zwei besondere Entwicklungen. Mehr Rentner werden mit dem eigenen Auto unterwegs sein. „Der Freizeitverkehr wird diffuser und weniger mit Bussen und Bahnen absolviert“, prophezeit der Planer. Darüber hinaus werde sich auch Rückgang im Berufs- und Ausbildungsverkehr negativ für den ÖPNV auswirken. „Die Schülerzahlen brechen mit minus 19 Prozent massiv ein. Das sind bisher die verlässlichsten ÖPNV-Kunden, vor allem in den Bussen“, sagt Kiwitt. Vor diesem Hintergrund können Busse und Bahnen ihren Siebtelanteil am Verkehrsaufkommen nur verteidigen, „weil neue Projekte auf der Schiene angeschoben wurden“, erklärt der Wirtschaftsdirektor der Region, Jürgen Wurmthaler, der für die S-Bahn zuständig ist.

Im Stadtgebiet wird eine Zunahme des ÖV-Anteils erwartet

Dazu zählt er bei der Stuttgarter Stadtbahn die Linien U 6 zum Flughafen, U 5 bis Leinfelden, U 15 bis Stammheim und U 12 bis Remseck und bei der S-Bahn den Ringschluss Marbach-Backnang im Norden und die S 60 von Böblingen nach Renningen im Westen. Wurmthaler rechnet auch damit, dass heutige S-Bahn-Kunden vermehrt die neuen Durchmesserlinien bei den Regionalzügen durch Stuttgart 21 nutzen. Allerdings geht die Prognose nicht davon aus, dass S 21 zu einer nennenswerten Zunahme der Bahnfahrer zu Lasten des Autoverkehrs führen wird.

Immerhin glaubt Wurmthaler aber daran, dass die Stammstrecke der S-Bahn dank S 21 zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße deutlich um bis zu 20 Prozent entlastet wird – und es damit neue Entwicklungsmöglichkeiten für die S-Bahn gibt. „Wir haben die Chance zusätzliche S-Bahn-Fahrgäste zu gewinnen, ohne dass neue Engpässe drohen“, sagt Wurmthaler. Das betreffe vor allem Kunden in den Landkreisen, da die S-Bahnen in Stuttgart nicht mehr so voll seien. Ohnehin appelliert der Verkehrsexperte an die Politik: „Wer ÖPNV plus will, muss neue Impulse setzen.“ Nur aus sich heraus könnten Busse und Bahnen nicht mehr wachsen. Wurmthaler denkt an Steuerung über Tarife und bessere Takte sowie an mehr Angebote für die Vernetzung mit individuellen Mobilitätsangeboten wie Carsharing. Auf den Autobahnen und Bundesstraßen wird laut der Prognose der Verkehr nochmals zunehmen. In den Kreisen wird es eine Bündelung geben, also dass Autos neue Umfahrungsstraßen nutzen und die Orte meiden – etwa im Zuge der B 464 im Kreis Böblingen oder der B 10 im Filstal.

In Stuttgart stellt sich die prognostizierte Entwicklung im übrigen etwas anders dar als in der übrigen Region. Im Stadtgebiet wird eine Zunahme des ÖV-Anteils von 25 auf 27 Prozent erwartet – allerdings nicht zu Lasten des Autoverkehrs, sondern weil Fußgänger öfters in Busse und Bahnen steigen. Weniger Autoverkehr wird vor allem in der Innenstadt erwartet.

Der Regionalverkehrsplan

Grundlage:
Der Regionalverkehrsplan bildet die Basis für verkehrspolitische Beschlüsse der Region Stuttgart. Zwar trifft der Verband – außer bei der S-Bahn, für die er zuständig ist – keine Entscheidungen über konkrete Projekte (das machen Städte, Land oder der Bund). Aber die Region formuliert grundsätzliche Ziele, hält als Träger der Planung Trassen frei und beachtet Wechselwirkungen auf die Siedlungs-, Freiraum- und Infrastrukturentwicklung.

Aktualisierung:
Der gültige Regionalverkehrsplan stammt aus dem Jahr 2001, die ihm zugrunde liegenden Daten sind überholt. Die Verkehrsprognose ist der erste Schritt zu einem neuen Plan, der in den nächsten Jahren beschlossen wird. Weitere Studien sollen folgen – etwa über Schwachstellen im Verkehrsnetz, über Teilbereiche wie Stuttgart-Nord oder den Schurwald, über den Radverkehr und die Logistik. Erst danach soll über konzeptionelle Vorschläge, also etwa den Bau neuer Strecken oder verkehrslenkende Maßnahmen, entschieden werden.

Sitzung:
Die Prognose wird am Mittwoch, 8. Mai, 15.30 Uhr, im Verkehrsausschuss der Region vorgestellt.