Weil Zuschüsse von Bund und Land für den öffentlichen Nahverkehr ausbleiben, suchen die Stadträte in Stuttgart nach Möglichkeiten, den SSB unter die Arme zu greifen. Deren Defizit droht sich zu vervielfachen.

Stuttgart - Dass der Ausbau des ÖPNV in Stuttgart ein wichtiges Instrument zur Reduzierung der Luftschadstoffe ist, darüber waren sich am Dienstag in der gemeinsamen Sitzung des Technischen Ausschusses und des Verwaltungsausschusses alle einig. Doch über die Finanzierung herrscht Unklarheit, zumal die am Rande des Berliner Flüchtlingsgipfels vereinbarte Fortsetzung der Bundeszuschüsse nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) bis 2030 den SSB nichts bringt. Wie bisher fördert der Bund mit den sogenannten Regionalisierungsmitteln Schienenneubauprojekte mit einem Volumen von mehr als 50 Millionen Euro. Das kommt etwa der geplanten Verlängerung der S 2 nach Neuhausen zugute.

 

Dagegen beklagte SSB-Technikvorstand Wolfgang Arnold, dass es vom Land über 2019 hinaus kein Geld für den ÖPNV mehr gibt. Schlimmer noch: Investitionen in die Instandhaltung der Infrastruktur und in neue Fahrzeuge, bisher vom Land gefördert, werden auch von den Bundeszuschüssen nicht erfasst. Die Folge: Bei steigendem Investitionsbedarf der städtischen Tochter drohe das bei rund 20 Millionen Euro liegende jährliche Defizit bis 2030 auf bis zu 65 Millionen Euro pro Jahr anzusteigen.

Stadträte wollen den SSB unter die Arme greifen

Für OB Fritz Kuhn (Grüne) ist dennoch klar: Will er sein Ziel, den motorisierten Individualverkehr in die Stadt um 20 Prozent zu reduzieren, erreichen, muss der ÖPNV attraktiver werden. Kuhn setzt auf ein Umdenken beim Land, hofft darauf, dass die Probleme der Ballungsräume besonders berücksichtigt werden. Kämmerer Michael Föll (CDU) sieht schon Probleme beim Erhalt des Status quo. Ein Ausbau des Angebots – etwa durch Taktverdichtung beim Busverkehr – könne man nur mit Zuschüssen des Landes stemmen.

Grüne, SPD und SÖS-Linke-Plus im Rat sehen dagegen finanziellen Spielraum: SPD-Fraktionschef Martin Körner etwa verwies auf das Anlagevermögen in Höhe von 430 Millionen Euro in der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (SVV), aus dessen Zinserträgen bisher das SSB-Defizit ausgeglichen wird. Im Gegensatz zu anderen deutschen Großstädten habe Stuttgart Reserven, aus denen sich ein Ausbau des Schienen- und Busverkehrs subventionieren lasse. Zudem müsse es das Ziel sein, die kommunalen Stadtwerke profitabel zu machen, um deren Gewinn in den ÖPNV investieren zu können. Grünen-Stadtrat Jochen Stopper nannte das aktuelle SSB-Defizit von 20 Millionen Euro „vergleichsweise gering“. Die Stadt sei in der Lage, die Neuanschaffung von Waggons und den Erhalt der Infrastruktur zu fördern. Auch über eine finanzielle Beteiligung der Flughafen GmbH, zu 35 Prozent im Besitz der Stadt, könne diskutiert werden. Hannes Rockenbauch (SÖS) plädierte für eine Nahverkehrsabgabe der Autofahrer und der Wirtschaft. Zur Taktverdichtung brauche die SSB lediglich mehr Busse und mehr Personal.

Jürgen Sauer (CDU) betonte, ohne ÖPNV-Ausbau werde man die Schadstoffbelastung nicht in den Griff bekommen. FDP-Stadtrat Matthias Oechnser warnte im Verbund mit Kämmerer Föll davor, die Stadtwerke als „cash cow“ zu sehen. Fölls Fazit: „Ich bin sprachlos, wie nonchalant die Stadträte mit Steuergeld umgehen.“