Immer weniger Menschen bedeuten auch immer weniger Fahrgäste. In Künzelsau im Hohenlohekreis versuchen Fahrplangestalter und Touristiker der Flaute im Öffentlichen Nahverkehr mit kreativen Konzepten zu begegnen.

Künzelsau - Um die Mittagszeit am Busbahnhof in Künzelsau, einem rund 15 000-Einwohner Städtchen im Hohenlohekreis. Einige Jugendliche mit Schulranzen raufen sich um freie Plätze auf einer Bank. Eine alte Frau mit Rollator, an dem ihre dicken Einkaufstüten hängen, ist auf ihrem beschwerlichen Weg zur Bushaltestelle.

 

Zwei Kundengruppen und eine Entwicklung, die auch den Öffentlichen Personennahverkehr in Hohenlohe zunehmend vor Probleme stellt. Die Bevölkerungszahl sinkt, das Durchschnittsalter steigt. Die Auswirkungen für den Nahverkehr, der auf Schülerbeförderung basiert, sind einschneidend.

Der Hohenlohekreis ist an der Einwohnerzahl von knapp 108 000 Menschen gemessen der kleinste Landkreis Baden-Württembergs. Und er ist mit einer Bevölkerungsdichte von durchschnittlich 138 Menschen pro Quadratkilometer dünn besiedelt. Zum Vergleich: Im benachbarten Kreis Heilbronn leben statistisch gesehen 295 Personen auf einem Quadratkilometer.

Ein Regionalverbund soll aus der Not eine Tugend machen

Den schwach besiedelten Raum mit öffentlichem Nahverkehr zu versorgen, ist nicht leicht. Es gibt 320 Städte, Dörfer, Weiler und Höfe mit rund 780 Haltestellen in der Region. 2005 wurde aus der Not eine Tugend gemacht und ein Verkehrsverbund in der Region Heilbronn, Hohenlohe und Schwäbisch Hall geschlossen: die Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehr GmbH .

„Verschiedene Landkreise mit verschiedenen Verkehrsverbünden zusammenzuführen macht Schwierigkeiten, aber wir arbeiten daran“, räumt Grit Wienert, Marketingchefin des Nahverkehr Hohenlohe (NVH), in Künzelsau ein. An diesem Tag ist in der Geschäftsstelle in Künzelsau Hochbetrieb: Der Fahrplan der Stadtbahnlinie S 4 von Öhringen über Heilbronn und Karlsruhe bis Achern, wurde geändert.

Darauf musste wiederum der Busfahrplan abgestimmt werden. „Wenn die Schülerzahlen zurückgehen und Schulen geschlossen werden, bricht der Nahverkehr vor Ort zusammen“, sagt Wienert. Die Tendenz zu Ganztagesschulen tut ein Übriges, um die Mittagszeit fallen weniger Fahrten an.

Weniger Menschen – weniger Fahrgäste

Rund 15 Millionen Euro kostet der NVH-Fahrplanbetrieb. Für das Jahr 2014 rechnet der Hohenlohekreis mit Erlösen in Höhe von rund 10,5 Millionen Euro – die Gesamtkosten werden nur noch zu rund 70,9 Prozent gedeckt. Wie stark die Bevölkerungsentwicklung bereits durchschlägt, lässt sich im aktuellen Wirtschaftsplan nachlesen. Der Kreistag hat bereits 2012 so genannte Dynamisierungsraten eingeführt. Damit sollen Fahrleistungen abgegolten werden, die der Verkehrsbetrieb wirtschaftlich nicht erbringen kann, die dennoch erwünscht sind; etwa zehn Grundschüler nach der 5. Stunde in die jeweiligen Gemeindeteilorte zu bringen.

Das gleicht einer Quadratur der Kreises. Je weniger die Menschen werden, desto weniger Fahrgäste gibt es. Um diese zu gewinnen müssen aber immer größere Anstrengungen unternommen werden. Beispielsweise mit dem E-Ticket. 25 Prozent Preisnachlass gibt es für das bargeldlose Bezahlen. So wirbt der regionale Verbund um Kunden, die mit der Plastikkarte von Künzelsau bis Schwäbisch Hall oder von Öhringen bis Heilbronn unterwegs sein wollen. Der Nutzer hält das Kärtchen bei Ein- und Ausstieg an die elektronische Lesezone, abgerechnet wird monatlich.

Der Zuspruch sei gut, sagt Wienert. 1600 Tickets sind im Hohenlohekreis im Einsatz, im Stadt- und Landkreis Heilbronn zählt der Verbund schon 1850 Stück. „Wir staunen, wie viele ältere Menschen das E-Ticket nutzen“, sagt Wienert, und verweist auf ein Extra-Tarifangebot für Rentner für 44,25 Euro im Monat. Es gilt fürs gesamte Tarifgebiet und neuerdings auch für Teilzeit-Berufstätige, Hausfrauen, Hausmänner und alle, die die morgendliche Hauptverkehrszeit vor 8 Uhr nicht nutzen können.

Taktzeiten wie in Ballungsräumen seien auf dem flachen Land aber nicht zu finanzieren. Sie verböten sich schon aus Umweltgründen. Da ist es umso ärgerlicher, wenn Fahrgäste ihren Anschluss verpassen. In der Gemeinde Neuenstadt am Kocher (Landkreis Heilbronn) hat das Verkehrswissenschaftliche Institut Stuttgart mit dem örtlichen Busunternehmer ein Projekt namens Rubrik in Betrieb genommen.

Ein Bordrechner im Bus ersetzt die Leitstelle

Mittels kleiner Bordrechner tauschen sich die Busfahrer untereinander über Verspätungen aus oder bitten die Kollegen, auf Umsteiger zu warten. Das ist billiger als eine Leitstelle, wie sie in Großstädten die Regel ist. Die Fahrgäste werden am Omnibusbahnhof per Monitor über Ankunfts- und Abfahrtzeiten der Busse informiert, wahlweise auch übers Handy.

Die guten Erfahrungen sollen Schule machen. „Wir sind dabei, ein solches System auch auf andere Omnibusbahnhöfe auszudehnen“, erklärt Helmut Nef vom Landratsamt Heilbronn. In Werkslinien, Firmen- und Jobtickets sehen die NVH-Verantwortlichen die Chance, Kunden zu gewinnen. Dafür müssen Schichtzeiten in die Bustakte integriert werden. Ein neues Schnupperticket soll Unternehmen motivieren, die sich im derzeit wachsenden Gewerbepark Hohenlohe ansiedeln.

Sonderlinien zu Veranstaltungen wie den Langenburg Classics oder dem Eberbacher Gassenfest sollen weitere Kundenkreise erschließen. In der Genießerregion Hohenlohe sieht die Touristikerin noch Chancen für den Nahverkehr. Zur Kochertaler Genießertour, wo gewandert und Wein getrunken wird, werden Busse mit Erfolg eingesetzt, erklärt Andreas Dürr von der Touristikgemeinschaft Hohenlohe. Nur: „Ausgerechnet am Wochenende und während der Feiertage, wenn wir Tagestouristen haben, sind die Fahrdienste eingeschränkt“, bedauert Dürr.