Immer mehr Menschen in Baden-Württemberg nutzen Bus und Bahn, die Kommunen planen viele neue Projekte zum Ausbau des ÖPNV. Doch die erwarteten Zuschüsse geraten in Gefahr, weil das dafür bereitstehende Geld bei diesem Andrang knapp wird.
Stuttgart - Beim Bau von vielen Projekten des Öffentlichen Nahverkehrs und auch mancher Straßen oder Lärmschutzmaßnahmen wenden sich Gemeinden vertrauensvoll an das Land mit der Bitte um Zuschüsse. Mit bis zu 50 Prozent der entstehenden Kosten werden viele Wünsche befriedigt. Wie das geregelt wird, legt ein Gesetz fest, das unter dem Wortungetüm Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz firmiert, abgekürzt LGVFG. Aktuell fördert das Land 169 Projekte, immer neue Vorhaben werden in den nächsten Jahren hinzu kommen, teilt das Ministerium zum Ende der Regierungsperiode nach einer internen Erhebung mit. „Dies kann mit den derzeitigen Fördermöglichkeiten bei weitem nicht abgedeckt werden“, ist aus dem Ministerium zu erfahren.
Gefüllt wird dieser Topf vom Bund mit einer Summe, die seit vielen Jahren bei 165,5 Millionen Euro pro Jahr liegt. 60 Prozent der Mittel und damit 100 Millionen Euro fließen in die Infrastruktur des Umweltverbundes, zu dem der öffentliche Nahverkehr, aber auch der Radverkehr und die Fußgänger gehören, 40 Prozent sind für kommunale Straßenbauvorhaben vorgesehen. In diesem Verhältnis hat die amtierende Landesregierung den Fördertopf aufgeteilt.
Vor 2011 war dies übrigens genau umgekehrt, zudem konnten bis Ende 2013 Projekte bis zu 75 Prozent gefördert werden. „Angesichts von Preissteigerungen können mit der gleichbleibenden Summe somit immer weniger Projekte unterstützt werden“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) angesichts des Status quo. 200 Millionen Euro jährlich hält er für sinnvoll, zunächst müsste eine Aufstockung allerdings über die Landeskasse bewerkstelligt werden.
Von der Hessebahn bis zum Fahrradabstellplatz
Die Gemeinden beantragen immer neue Projekte. Unterstützt werden die laufenden 169 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 630 Millionen Euro, weitere 14 Projekte werden geprüft, die Investitionen von 50 Millionen Euro nach sich ziehen würden. Bis 2019 hoffen die Kommunen auf Zuschüsse für Projekte, in die 875 Millionen Euro investiert werden.
Nach Beispielen für förderfähige Projekte gefragt, verweist das Ministerium auf die Reaktivierung der Hermann-Hesse-Bahn von Weil der Stadt nach Calw, den Ausbau und Elektrifizierung der Schönbuchbahn, die Verlängerung der Linie U 5 der Stadtbahn Stuttgart von Leinfelden nach Echterdingen. Stadtbahnhaltestellen sollen angehoben werden, um Rollstuhlfahrern einen komfortablen Einstieg zu ermöglichen. Geld könnte auch in den Bau von Abstellplätzen für Fahrräder fließen. Im Fall von Fahrzeugen wird der Kauf von modernen Niederflurbussen im Stadt- und Regionalverkehr unterstützt, ebenso jener von Bürger- oder Rufbussen. Nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft auch Fahrzeuge von Straßen- oder S-Bahnen förderfähig werden könnten.
„Brauchen Ausbau des ÖPNV“
Das Jahr 2019 ist für die Kommunen besonders spannend, weil dann diese Förderung durch den Bund ausläuft. Geld wird – so sehen das die bisherige Pläne jedenfalls vor– danach weiterhin fließen, aber nicht verbunden mit der konkreten Zuordnung zur Verkehrsinfrastruktur. Der Entscheidungsspielraum der Länder würde somit erhöht. Die nächste Landesregierung wird entscheiden müssen, welche Priorität sie dem Öffentlichen Personennahverkehr zumisst.
Angesichts allenthalben steigender Fahrgastzahlen im ÖPNV setzt der aktuelle Verkehrsminister auf ein weiteres Wachstum, das durch diese Zuschüsse aus dem LGVFG und seinen Nachfolgeregelungen gefördert werden sollte. „Um die verkehrs- und umweltpolitischen Ziele zu erreichen, brauchen wir dringend den weiteren Ausbau und die Modernisierung des ÖPNV“, hebt Hermann hervor. Gut möglich, dass dies derzeit denkbare andersfarbige Landesregierungen ähnlich sehen.
Planungssicherheit für Projekte
Für die Zeit nach 2019 haben die Kommunen bereits Projekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 700 Millionen Euro im Blick. „Die Vorhabenträger brauchen zügig Planungssicherheit, sonst geraten die Projekte immer mehr ins Stocken“, bringt der Minister seine Argumente in Position.