In ihrer Masterarbeit hat Nicola Missel einen öffentlichen Proberaum entworfen. Ab September soll er vor dem Gustav-Siegle-Haus stehen.

Stuttgart - Nicola Missel spielt Tuba. Als Tubistin weiß sie, was es heißt, wenn man üben will und die Nachbarn Ruhe brauchen. Die angehende Architektin hat Stuttgarter Musiker befragt. Das erschreckende Ergebnis: Viele, Profis oder Amateure, haben keinen geeigneten Übungsraum. Sie üben in ihrer Wohnung, so gut es eben geht, oder in feuchten Kellern wie dem Bunker unter dem Leonhardsplatz. „In einer Stadt wie Stuttgart, in der akuter Platz- und Wohnungsmangel herrscht und die Mieten in die Höhe schnellen, fällt es schwer, Orte zu finden, an denen uneingeschränkt Musik und Kultur entstehen können“, umreißt sie das Problem, dem sie sich in ihrer Masterarbeit gestellt hat.

 

Ihre Antwort: ein kleines, preußischblaues „Übehaus“, das auf dem Leonhardsplatz aufgestellt werden soll, in Kooperation mit dem Bix und den Philharmonikern. Denn Missels Masterarbeit bleibt nicht auf dem Papier: Seit Ulrike Perlmann und Leslie Koch sich mit Sammeldosen auf die Königstraße gestellt haben, bis sie genug Geld hatten, um nach Südafrika zu fliegen und dort ein Heim für Aids-Waisen zu errichten, kommt es immer häufiger vor, das Studierende der Universität Stuttgart ihre Entwürfe auch realisieren. Im Maßstab „eins zu eins“, wie sich die Plattform nennt, die daraus an der Uni entstanden ist.

Und zur Bühne soll das Übehaus auch werden

Um Missels Überaum und einen zweiten Entwurf, einen Begegnungsraum für eine Flüchtlingsunterkunft, Realität werden zu lassen, hat Peter Cheret, Professor am Institut für Baukonstruktion 1, ein Seminar angeboten. Die 15 Teilnehmer bilden nun das Team, das die beiden Projekte umsetzt. Mit allen Problemen und Fragen, die sich aus einer solchen Planung ergeben: Genehmigung, Materialwahl, Finanzierung, Anforderungen der Nutzer, technische Fragen aller Art.

Im Fall des Übehauses liegt die größte Herausforderung im Bereich der Akustik: Wie bekommt man es hin, dass die Musiker im öffentlichen Raum, an einer Hauptstraße, wo Tag und Nacht der Verkehr rauscht, in Ruhe üben können? Zugleich soll das kleine Haus durchaus die Aufmerksamkeit der Passanten wecken. Missel sieht an einer Giebelseite eine Art Schaufenster vor: Wer will mag ruhig näher treten und den Musikern beim Üben zusehen und zuhören. Mit zwei Türen an einer Längsseite soll sich das Übehaus aber auch in eine kleine Bühne umwandeln lassen.

Mit einer zerlegbaren Bar, die am 10. Juni zum Uni-Sommerfest im Stadtgarten erneut zum Einsatz kommen soll, haben die Studierenden das Projekt nun vorgestellt: vor dem Gustav-Siegle-Haus, wo es ab September dann stehen soll, aufgebaut von den Seminarteilnehmern in eigener Hände Arbeit. Drei Monate lang sollen dann Musiker aller Couleur den Raum buchen können, um öffentlich zu üben, damit zugleich auf die Schwierigkeit aufmerksam machen, Proberäume zu finden, und Kultur in die Altstadt hinein tragen. Der Platz am Rand des Rotlichtviertes soll eine Aufwertung erfahren. Was wiederum den Philharmonikern und den Betreibern des Bix sehr gut gefällt.