Die Menschen sind lockdownmüde, immer lauter sind die Rufe nach einer Öffnung. Das Tübinger Modellprojekt mit Schnelltests könnte nun Schule machen. Dutzende Kommunen sind interessiert.

Stuttgart - Während die Politik um eine Perspektive für die lockdownmüden Menschen ringt, wollen Dutzende baden-württembergische Kommunen und Kreise das sogenannte Tübinger Modell mit massiven Schnelltests übernehmen. Ziel sei es, möglichst bald Perspektiven zu haben - nicht nur für die Menschen in Baden-Württemberg, sondern auch für Hotels, Restaurant, Museen und die Kultur, hieß es am Donnerstag aus zahlreichen Rathäusern. „Allein in den letzten drei Tagen hat sich eine dreistellige Zahl an Städten und Gemeinden bei mir gemeldet, die solche Modelle umsetzen wollen“, sagte der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, Steffen Jäger, der dpa.

 

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In sogenannten Modellkommunen oder -regionen werden mit strengen Schutzmaßnahmen und Testkonzepten die Beschränkungen in einzelnen Bereichen gelockert. Beim Land beworben haben sich unter anderem der Kreis Calw als Modellregionen sowie Neckarsulm, Ludwigsburg und Singen. Die Kommunen und Kreise berufen sich auf einen Beschluss der Bund-Länder-Konferenz, nach dem die Länder im Rahmen von Modellprojekten einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens unter strengen Voraussetzungen öffnen können.

Modellprojekt läuft in Tübingen noch bis zum 4. April

In Bayern hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Modellkommunen bereits zur Chefsache gemacht und den Start dieser Projekte in acht Kommunen vom 12. April an erklärt. Auch in anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen gibt es Initiativen der Landesregierungen. Aus dem baden-württembergischen Gesundheitsministerium hieß es bislang lediglich, die Bewerbungen seien eingegangen und würden bearbeitet.

In Tübingen läuft seit etwa eineinhalb Wochen und bis zum 4. April ein Modellprojekt zu mehr Öffnungsschritten in Corona-Zeiten. An neun Teststationen können die Menschen kostenlose Tests machen, das Ergebnis wird bescheinigt. Damit kann man in Läden, zum Friseur oder auch in Theater und Museen. In einer ersten Zwischenbilanz zeigte sich Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) trotz Unregelmäßigkeiten bei der Testauswertung zufrieden.

Calw fährt eine andere Teststrategie als Tübingen

„Es gibt ein enormes Interesse bei unseren Mitgliedskommunen, analog zu Tübingen, ein sicheres Öffnen auf Grundlage von Testkonzepten umzusetzen“, sagte Gemeindetagspräsident Jäger der dpa. Die Idee, nur einzelne Modellkommunen auszuwählen, ist angesichts des Interesses aus seiner Sicht kaum mehr vermittelbar. Die Zahlen aus Tübingen zeigten, dass durch intensives Testen die Inzidenz tatsächlich eingedämmt werden könne. „Wir halten deshalb weiterhin an unserer Forderung fest, das Modell zeitnah landesweit zu ermöglichen.“

Nicht alle Kommunen gehen in ihren Bewerbungen vom selben Modell aus. Anders als Tübingen hat der Calwer Landrat für den Kreis zunächst die Hotellerie in mehreren Touristenstädten im Blick, in einem zweiten Schritt würde er die Ausflugsziele, danach die Gastronomie und schließlich den ganzen Kreis öffnen. „Die Menschen und die Tourismusbranche brauchen in dieser außerordentlich schwierigen Zeit eine Perspektive“, sagte Landrat Helmut Riegger (CDU) der dpa. „Die Geduld der Hoteliers ist am Ende. Die stehen teilweise am Rande der Existenz und brennen darauf, endlich wieder anfangen zu können.“

Neckarsulm sieht sich nach einer flächendeckenden Corona-Testoffensive als guter Kandidat für eine Modellkommune. „Was die Betriebe dringend brauchen, ist eine verlässliche Öffnungsperspektive“, sagte OB Steffen Hertwig (SPD). Es gelte, „die Innenstadt vor dem Ausbluten zu bewahren und den Betrieben eine echte Perspektive zu geben“. Auch Ludwigsburg gehört zum Kreis der Bewerber. Das Tübinger Modell habe bei der Stadtverwaltung, beim Einzelhandel, bei Kultureinrichtungen und anderen Gruppen große Zustimmung erfahren, schreibt OB Matthias Knecht (parteilos) in seinem Brief an Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne).