Die Mitarbeiter der Supermärkte in der Region Stuttgart arbeiten seit Wochen am Limit, die Sorge um die Ansteckung mit dem Coronavirus kommt dazu. In der Landeshauptstadt will deshalb keiner am Sonntag öffnen.

Stuttgart - Die Stuttgarter werden in der Coronakrise vorerst auf verkaufsoffene Sonntage in den Supermärkten verzichten müssen. Nach Recherchen unserer Redaktion beruft sich kein einziger Markt im Stadtgebiet auf die Ausnahmeregelung des Landes, die es dem Lebensmittelhandel ermöglicht, künftig sieben Tage die Woche zu öffnen.

 

„Die letzten Tage waren für die Mitarbeitenden in den Märkten und in der Logistik sehr kräftezehrend und anstrengend, sodass der Sonntag zur Erholung dringend gebraucht wird“, hieß es etwa von dem Pressesprecher der Tegut-Märkte, Matthias Pusch. Aldi Süd sprach in einem Statement am Mittwochabend von einem „sehr wichtigen Versorgungsauftrag für die Bevölkerung“, dem man gerecht werden müsse. Ruhephasen für die eigene Belegschaft seien dennoch unabdingbar. „Aus diesem Grund planen wir derzeit keine Verlängerung der Öffnungszeiten sowie auch keinen Sonntagsverkauf“, schlussfolgerte das Unternehmen. Ähnliche Antworten erhielt unsere Zeitung von Lidl, Kaufland, Edeka Südwest, der Rewe-Gruppe und Real.

Mitarbeiter sollen nicht „untergehen“

Bei den privat geführten Filialen der Edeka-Genossenschaft fiel die Reaktion der Marktleiter noch deutlicher aus. „Wenn wir jetzt am Sonntag öffnen, gehen wir vom Stresspegel her unter“, sagte zum Beispiel Einzelhändler Jan Rubin, der in Kornwestheim einen Edeka-Markt betreibt. Seine Stuttgarter Kollegen sehen das ähnlich: Am Telefon zeigten sich viele entsetzt von der Idee, manche sahen sich „am Limit“ und kommentierten die Frage nach einer Sonntagsöffnung mit einem wütenden Schnauben. „Wir sind zwar solidarisch mit unserer Kundschaft, aber irgendwo hat das Ganze seine Grenzen“, so Oktay Arda vom Marktkauf in Ostfildern.

Unterstützung für den Kurs des Handels gibt es auch von Arbeitnehmerseite. Giovanna Heldmayer beobachtet als Gewerkschaftssekretärin für Verdi den Stuttgarter Einzelhandel. In der pauschalen Ablehnung einer Sonntagsöffnung sieht sie eine „absolute Notwendigkeit“, schließlich arbeite gerade das Personal in den Supermärkten seit Wochen am Anschlag. Verdi fordert deshalb inzwischen deutschlandweit steuerfreie Bonuszahlungen für die Mitarbeiter. Der Bundesverband plädierte am Freitag zunächst für eine Höhe von 500 Euro, in Stuttgart kann sich der Bezirksverband laut Giovanna Heldmayer sogar noch mehr vorstellen. Auf Konfrontation mit den Arbeitgebern wird in der aktuellen Situation aber verzichtet, besonders beim Thema Sonntagsöffnungen scheint ein breiter Konsens die Zusammenarbeit zu erleichtern: „Wir sind den Arbeitgebern sehr dankbar, das ist die richtige Entscheidung.“

Handelsverband wollte an den Sonntag ran

Dabei hatte ursprünglich sogar der Handelsverband selbst, also die Vertretung der Arbeitgeber, um eine Auflockerung des Sonntagverbots gebeten. Man habe lediglich die Option für flexiblere Öffnungszeiten schaffen wollen, heißt es nun von der Pressestelle des baden-württembergischen Landesverbands. Wie viele Märkte im Südwesten von der Regelung Gebrauch machen würden, ließe sich nicht sagen. „Jetzt steht ohnehin erst einmal die Sicherheit der Mitarbeiter ganz oben auf der Prioritätenliste“, so ein Sprecher.

Ob es auch in den kommenden Wochen nicht zu Sonntagsöffnungen kommen wird, ist allerdings unklar. Eine Hintertür hielten sich die meisten Konzerne nämlich offen: In fast allen Stellungnahmen ist von einer täglich neuen Bewertung der Lage die Rede. Was das in Zeiten einer dynamischen Krise bedeutet, lässt sich kaum sagen.