Die Kleinstadt Öhringen fühlt sich überrollt von den Rechten. An diesem Wochenende haben sich mehr als 450 Bürger mit einem Demonstrationszug gegen die allwöchentlichen Kundgebungen von AfD- und NPD-Anhängern zur Wehr gesetzt.

Öhringen - „Der Limes blüht auf“ lautet das Motto der Landesgartenschau, mit der sich Öhringen 2016 in Szene setzen möchte. Was hier derzeit seine Blüten treibt, schmückt die Kleinstadt im Hohenlohekreis freilich nicht: Seit 10. Oktober hält das so genannte Bündnis „Hohenlohe wacht auf“ jeden Samstag an der Alten Turnhalle eine Kundgebung ab, in der die Redner – darunter auch bekannte rechte Aktivisten wie Michael Mannheimer und Curd Schumacher - gegen die deutsche Flüchtlingspolitik Stimmung machen. „Merkel muss weg“ fordern die „besorgten Bürgerinnen und Bürger“, zu denen Anhänger und Mitglieder der rechtspopulistischen AfD sowie laut Landesamt für Verfassungsschutz Rechtsextremisten aus dem Umfeld der NPD gehören. Bis zur Landtagswahl im März kommenden Jahres wollen sie ihre Agitationen fortführen.

 

Ein breites Bündnis hat an diesem Wochenende zur Kundgebung „Kein Platz für Rassismus und rechte Hetze in Öhringen“ aufgerufen: Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, Jusos, Verdi, deren Jugendorganisationen, auch nicht organisierte Bürgerinnen und Bürger versammeln sich am Bahnhof zum Demonstrationszug in Richtung Parkhaus Alte Turnhalle – wenige Meter entfernt von dem Platz, auf dem die Rechten agitieren. Rüdiger und Susanne Paatz etwa, beide 47, sind von Anfang an dabei. „Was die hier treiben, hat nichts mit Asylpolitik zu tun“, sagt er, „das ist reine Hetze.“ Die Kleinstadt sei von den Rechten förmlich überrollt worden. Er meint auch zu wissen warum: „Die Verantwortlichen in Öhringen haben nicht klar genug Stellung bezogen.“

Gericht kippt Demoverbot

Sein Vorwurf richtet sich vor allem an Oberbürgermeister Thilo Michler. Der hatte „viel zu spät“ Ende November die Kundgebungen verboten, das Verwaltungsgericht in Stuttgart allerdings kippte die Anordnung. Das sei Wasser auf die Mühlen der Rechten gewesen. Susanne Paatz kann nicht nachvollziehen, warum das Stadtoberhaupt heute verhindert ist: „Bei einer solchen Sache kann ein OB keinen wichtigeren Termin haben.“ Ein 18-Jähriger aus Heilbronn, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sieht die Verantwortung für die Situation auch bei den Polizeikräften: „Die Polizei hier ist extrem überfordert.“

An diesem Tag zeigen die Sicherheitskräfte Stärke. Rund 100 Beamte des Polizeipräsidiums Heilbronn und der Bereitschaftspolizei sind nach Auskunft von Polizeisprecher Rainer Ott vor Ort, um ein Aufeinandertreffen der beiden Gruppierungen zu verhindern. Als am frühen Nachmittag der Demonstrationszug gegen Rassismus am Bahnhof beginnt, hat sich an der Alten Turnhalle hinter Polizeiabsperrungen gerade mal eine Handvoll Männer und einige Frauen versammelt, die etwas verloren auf dem großen Platz herumstehen. Aus den Lautsprechern tönt die Nationalhymne, Deutschlandfahnen sind an den Absperrungen befestigt. Am Ende zählt die Polizei rund 100 Teilnehmer aus dem rechten Lager; rund 450 Menschen sind dem Aufruf des Bürgerbündnisses gefolgt.

Es bleibt bei verbalen Attacken

Eine breite Straße und ein massives Polizeiaufgebot trennen die beiden Gruppierungen. „Merkel muss weg“, „Wacht auf“, „Lügenpresse“ tönt es von der einen Seite, „Pegida oder AfD, stoppt den Rechtsruck in der BRD“, „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“, „Hoch die internationale Solidarität“ von der anderen Seite. Es bleibt bei verbalen Attacken. Einige Beamten betätigen sich als Fremdenführer und weisen verirrten Besuchern den richtigen Weg zum nahe gelegenen Weihnachtsmarkt. Immer wieder geht der Blick der jungen Beamten verstohlen Richtung Armbanduhr. Gegen 17 Uhr haben sich endlich die beiden Gruppen zerstreut, die Absperrgitter werden abgebaut, die Lautsprecher eingepackt. Auch Rüdiger und Susanne Paatz verlassen den Parkplatz Richtung Weihnachtsmarkt: „Jetzt trinken wir erst mal einen Glühwein.“ Ein Kameramann von RT (Russia Today), der den ganzen Tag über gefilmt hat, schultert sein Gerät. Er wird nicht über Öhringen berichten. Etwas enttäuscht sagt er: „Ist ja nichts passiert.“