Die EU-Kommission will die finanziellen Hilfen im Energiesektor auf das Nötigste reduziert sehen – sonst könnten im Laufe des nächsten Jahres beihilferechtliche Schritte drohen. Kommissar Günther Oettinger setzt zudem auf öffentliche Ausschreibungen.

Brüssel - Staatshilfen für die Stromerzeugung sollen europaweit auf ein Minimum zurückgeführt werden. „Uns geht es darum, dass in einem funktionierenden Energiebinnenmarkt öffentliche Förderungen nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind“, sagte EU-Kommissar Günther Oettinger am Dienstag in Brüssel, als er entsprechende Pläne der Brüsseler Behörde präsentierte. Staatshilfen, so der Deutsche, „dürfen nicht auf ewig gewährt werden, sondern müssen endlich sein“.

 

Oettingers Empfehlungen sind noch nicht bindend. Allerdings sind sie nach Angaben der EU-Kommission auf den Entwurf neuer Leitlinien für Staatsbeihilfen im Energiesektor „abgestimmt“, die „in den nächsten Wochen“ vorgestellt werden sollen. Nach einer Anhörungsphase sollen die Leitlinien für die Auslegung des geltenden Wettbewerbsrechts dann im nächsten Jahr beschlossen und angewendet werden. Dies kann die EU-Kommission als oberste Wettbewerbsbehörde der Gemeinschaft eigenständig tun, da das Wettbewerbsrecht eine ausschließliche EU-Kompetenz ist. Oettinger nannte seinen Vorstoß eine „Schablone für alle unsere künftigen Arbeiten und Wettbewerbsentscheidungen“. Es gehe darum, „was wir in Zukunft wettbewerbsrechtlich akzeptieren und was nicht“.

Altmaier und Kraft werden in Brüssel erwartet

Daraus folgt, dass auch die künftige Bundesregierung die geplante Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) darauf ausrichten muss, denn jede Form der Staatsbeihilfe muss erst in Brüssel genehmigt werden. Dort werden nun am Donnerstag Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die in den Koalitionsverhandlungen die Energie-Arbeitsgruppe leiten, zu Gesprächen erwartet. Auf dem Terminplan stehen dem Vernehmen nach Treffen mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia, der derzeit eine Klage deutscher Verbraucherverbände wegen der zahlreichen Ausnahmen vom EEG für die Industrie prüft, sowie mit Vertretern von Oettingers Generaldirektion Energie.

„Das deutsche EEG war ein hervorragendes Gesetz für die Gründungsjahre“, sagte dieser am Dienstag, angesichts der im kommenden Jahr auf 6,24 Cent je Kilowattstunde steigenden Ökostromumlage führe es aber „zunehmend zu Fehlanreizen und Investments, die in keiner Weise kosteneffizient sind“, so Oettinger für die EU-Kommission: „Wir halten eine Generalrevision des EEG schon im Interesse des deutschen Stromverbrauchers für angezeigt und überfällig.“ Er riet zudem, die Bedenken seines Kollegen Almunia hinsichtlich der Ausnahmen „bei den Koalitionsgesprächen sensibel in Rechnung zu stellen“. Die Vorgaben für diese Generalrevision, die nun aus Brüssel kommen, sind sehr konkret. Genannt werden mehrere Beispiele zulässiger Staatsbeihilfen – so etwa das belgische Quotensystem, das den Energieversorgern einerseits einen bestimmten Anteil an Erneuerbaren fest vorschreibt, sie andererseits aber über „grüne Zertifikate“ dafür entschädigt. Für die deutsche Debatte ist von Bedeutung, dass es künftig keine marktunabhängigen Garantiepreise für Ökostrom geben darf, sondern nur noch einen gewissen „Aufschlag“ auf den Strombörsenpreis. „Während feste Einspeisetarife für neue Technologien besser geeignet sind“, schreibt die Behörde, „eignen sich Zusatzbeträge besser für Techniken, die sich der Marktreife nähern.“

Vorgeschlagen wird zudem, „bestimmte Kapazitäten der Produktion erneuerbarer Energien, beispielsweise in der Windkraft, an den günstigsten Anbieter zu vergeben, weil dies den Wettbewerb zwischen den Windkraftanbietern anregen würde“. Kritiker wie der Luxemburger Grünen-Abgeordnete Claude Turmes befürchten, dass gerade kleinere Betriebe oder Privatleute in Deutschland die Leidtragenden solcher öffentlicher Ausschreibungen wären – speziell wenn sie europaweit durchgeführt würden.

Die EU-Kommission will die Förderung neu verteilen

Tatsächlich dringt die EU-Kommission darauf, die Förderung für Solarstrom und Windkraft neu zu verteilen, und regt dafür länderübergreifende Systeme, Gemeinschaftsprojekte oder einen „statistischen Transfer“ an. Im Klartext heißt das: In Griechenland produzierter Ökostrom könnte finanziell von Deutschland gefördert werden, ohne dass er wegen der schwachen Netzkapazitäten nach Deutschland fließen müsste – er würde dennoch auf das deutsche Erneuerbaren-Klimaziel für 2020 angerechnet.

Ins europäische Ausland müssen die Staaten in Zukunft auch schauen, bevor sie eigene Reservekraftwerke bezuschussen für die Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint, der Wind nicht weht und somit kein oder nur wenig Ökostrom produziert wird. Großbritannien will beispielsweise jetzt auf 35 Jahre hinaus neue Atomkraftwerke subventionieren, was die EU-Kommission derzeit auf seine Zulässigkeit hin prüft. Generell soll in Zukunft gelten, dass erst ermittelt werden muss, ob ein nachgewiesener Engpass nicht auch aus dem Ausland gedeckt werden kann, ehe Atom- oder Gaskraftwerke als „Kapazitätsreserve“ finanziell unterstützt werden dürfen.

„Es ist mit dem Energiebinnenmarkt unvereinbar, wenn weiter auf nationaler Ebene Subventionen verschiedener Arten beschlossen oder bewahrt werden, ohne den europäischen Kontext im Blick zu haben“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul. Zustimmung zu Oettingers Plänen kam auch von der SPD. Ihr Abgeordneter Bernd Lange sagte, es sei angesichts von 170 verschiedenen Fördermodellen „höchste Zeit für eine stärkere Annäherung der Fördermechanismen“.

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