Industrie und Handwerk im Land kritisieren die vielen Ausnahmen bei der EEG-Umlage. Sie liegen damit auf einer Linie mit Umweltminister Franz Untersteller.
Stuttgart - Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller findet Zustimmung in der Wirtschaft. „Haushalte wie Unternehmen dürfen nicht weiter belastet werden“, fordert Bernd Bechtold, Präsident der IHK Karlsruhe. Bereits heute habe Deutschland fast die höchsten Strompreise in Europa. Der Industriestrom in Frankreich koste 40 Prozent weniger als wenige Kilometer entfernt auf der badischen Seite, so Bechtold. „Wir unterstützen den Vorschlag“, sagt Joachim Möhrle, Handwerkspräsident von Baden-Württemberg.
Es geht um das Interview, das Landesumweltminister Franz Untersteller der Stuttgarter Zeitung gegeben hat. Weil immer mehr Unternehmen ganz oder teilweise von der Umlage im Rahmen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes befreit werden wollen, hat der Grünen-Politiker eine Überarbeitung der EEG-Umlage gefordert. „Ich halte es für richtig, dass wir für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, Ausnahmen machen. Ich habe aber ein Problem mit der Ausweitung dieser Ausnahmetatbestände. Wenn ein Verkehrsunternehmen einer Großstadt auch unter die Ausnahmen fällt, dann frage ich mich: Wo bitte stehen die im internationalen Wettbewerb? Das ist aus dem Ruder gelaufen und muss künftig deutlich restriktiver gehandhabt werden“, so Untersteller.
Immer weniger Unternehmen zahlen für Energiewende
Tatsächlich ist die Zahl der Unternehmen, die weniger oder gar nicht für die Energiewende zahlen, geradezu dramatisch gestiegen. 2003 waren 59 Unternehmen von der EEG-Umlage ganz- oder teilweise befreit, im vergangenen Jahr haben bereits 813 Unternehmen die Befreiung für 2012 beantragt. In diesem Jahr ging es weiter sprunghaft nach oben. Sage und schreibe 2023 Unternehmen wollen im nächsten Jahr keine Umlage zahlen. Um rund 2,3 Milliarden Euro werden diese Unternehmen damit entlastet; Privathaushalte sowie alle übrigen Unternehmen müssen die Zeche zahlen. Und die Last steigt weiter – so will etwa auch die Bereitstellung von Ersatzkapazitäten durch zusätzliche Kraftwerke finanziert werden. Der Bund der Energieverbraucher ist deswegen bereits in Brüssel vorstellig geworden – und lässt die EEG-Befreiung der Großindustrie überprüfen.
Unternehmen, die befreit werden wollen, müssen sich an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz Bafa, in Eschborn wenden. Der Antrag muss jährlich neu gestellt werden; befreit werden kann das Unternehmen dann im Folgejahr. Im Gesetz verankert ist dabei, dass nur Großverbraucher – jenseits eines Jahresverbrauchs von einer Gigawattstunde (eine Million Kilowattstunden) – begünstigt werden. So zählten im vergangenen Jahr 29 Prozent der begünstigten Unternehmen zur Chemieindustrie, 16 Prozent zum Bereich Eisen/Stahl, 15 Prozent zum Bereich Papier und zehn Prozent zum Bereich Metalle. Zunehmend wollen Verkehrsbetriebe begünstigt werden – 200 Unternehmen haben einen Antrag eingereicht.
Falsche Bezugsgröße
Der absolute Verbrauch ist nach Ansicht von Möhrle die falsche Bezugsgröße für eine Umlage-Befreiung. Maßgeblich dafür sollten vielmehr die Stromkosten in Relation zu den Gesamtkosten sein. Dann würden auch Handwerker profitieren – etwa aus dem Metall- oder dem Nahrungsmittelbereich. Bechtold verweist darauf, dass beim Thema Energie das Augenmerk auf die Effizienz gerichtet werden sollte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Rabatte für energieintensive Unternehmen. Die Alternative sei, dass Betriebe Mitarbeiter entlassen müssten, sagte sie bei einer Generalaussprache. „Zur Redlichkeit gehört: Wir wollen eine effiziente Wirtschaft, Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie und wir wollen die Energiewende schaffen. Das muss zusammengebracht werden“, so Merkel. Sie deutete Korrekturen beim Windenergie-Ausbau an: „Wir haben Planungen bei der Windenergie, die über 60 Prozent über dem liegen, was wir an Windenergie in den nächsten Jahren brauchen“.