Erst Adventskalender, dann Osterhasen, nun „Kinder Schokolade“. In den weiß-braunen Schoki-Riegeln sind Rückstände von Mineralöl nachgewiesen worden.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Jeder kennt sie, fast jeder liebt sie, fast alle haben schon von ihr genascht. „Kinder Schokolade.“ „Die Schokolade mit der typischen Milchfüllung“, so die Eigenwerbung, war bei Produkteinführung 1967 die erste süße Tafel mit einzeln verpackten Riegeln. „Kinder Schokolade prägte die Kindheit von Generationen und ist aus der schönsten Zeit – der Kindheit – nicht mehr wegzudenken.“

 

Ölige Schokis

Der Werbespruch auf der Homepage von „Kinder Schokolade“ ist so schön – fast schon zu schön, um wahr zu sein. Ausgerechnet die Schokolade mit der „Extra-Portion Milch“ (der italienische Ferrero-Konzern hatte den bekannten Slogan 2012 beerdigt) enthält neben Zucker (in jeder 100 Gramm-Tafel stecken 52,5 Gramm Zucker, der Milchanteil lässt sich kaum messen, so gering ist er), Mineralöl. Sie hören richtig: Mineralöl.

Die Berliner Verbraucherorganisation Foodwatch hat laut „Spiegel“-Online in Schokoladen-Produkten verschiedener Hersteller Ölreste nachgewiesen. Unter anderen seien in „Kinder Schokolade“ und „Kinder Riegel“ der Firma Ferrero sowie in Schoko-Reiswaffeln der Marke „Sun Rice“, die für Aldi produziert werden, „erhebliche Verunreinigungen mit aromatischen und gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen“ gefunden worden, so Foodwatch. Die Konzentration soll deutlich höher sein als bei der Schokolade aus Adventskalendern und Osterhasen, die im März getestet wurden.

Schmierstoff für fast alles

Mineralöl ist der Schmierstoff, der die Weltwirtschaft antreibt. Kein Auto würde fahren, kein Flugzeug abheben, kein Schiff ablegen, gäbe es nicht das natürlich vorkommende Gemisch aus unzähligen verschiedenen Kohlenwasserstoffen. Neben gesättigten Kohlenwasserstoffen MOSH (für englisch: „Mineral oil saturated hydrocarbons“) enthält es auch aromatischen Kohlenwasserstoff MOAH (für „Mineral oil aromatic hydrocarbons“). MOAH steht im Verdacht krebserregend zu sein.

Mineralöle in Kosmetika und Lebensmitteln

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte im Mai 2015 geprüft, ob MOAH, der auch in Kosmetika (Hautcremes, Lotionen, Körper- und Gesichtsreinigungsmitteln, Sonnenschutzmitteln, Selbstbräunern, Deodorantien, Antitranspirantien, Lippenpflegeprodukten, Make-up, Nagelpflegeprodukten, Haargelen etc.) verarbeitet wird, eine Gesundheitsgefahr darstellt. Das Ergebnis: „Nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand sind gesundheitliche Risiken für Verbraucher unwahrscheinlich.“

Mineralöle, die in der Pharmazie und Kosmetik eingesetzt werden, müssen extrem rein und verträglich, farblos, geruchs- und geschmacksfrei sein. Weil sie angeblich so ungefährlich und unschädlich sind, werden die sogenannten Weißöle auch in der Lebensmittelindustrie verwendet – wie etwa für Schokolade.

Foodwatch hat Spuren von Mineralöl in Osterhasen, die Stiftung Warentest bei Schokolade aus Adventskalendern nachgewiesen. Rückstände potenziell krebserregender aromatischer Mineralöle (MOAH) fanden sich demnach bei Tests in geringen Konzentrationen in acht von 20 Hasen verschiedener Hersteller.

Wie kommt das Mineralöl in die Schokolade?

Von der Maschine in die Schokolade

Minerallöle werden in der Lebensmittelindustrie als Schmiermittel für Maschinen, aber auch in Verpackungen eingesetzt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit stuft MOAH als „möglicherweise krebserregend und erbgutverändernd“ ein. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärt: „Das Vorkommen von Mineralölbestandteilen, insbesondere von MOAH, in Lebensmitteln ist prinzipiell unerwünscht.“

Als Quelle für die Verunreinigung bei Schokolade gilt laut Foodwatch der Transport von Kakao in belasteten Jutesäcken und der Kontakt mit ölenden Maschinen. Auch von Druckfarben auf Kartons aus Altpapier kann eine Belastung ausgehen. Die Substanzen dringen aus dem Recyclingpapier, das mit mineralölhaltigen Farben bedruckt wird, während der Lagerung in die Schokolade ein.

Keine gesetzlichen Grenzwerte

Bislang gibt es für Mineralöl-Rückstände in Nahrungsmitteln keine gesetzlichen Grenzwerte. Hersteller und Händler arbeiteten seit Jahren daran, die Stoffe aus der Lebensmittelproduktion zu verbannen, heißt es im „Spiegel“. Aldi Süd habe seine Lieferanten aufgefordert, alle Verunreinigungsquellen zu identifizieren und nur noch mineralölfreie Produktionsmittel zum Einsatz kommen zu lassen.