Das Gasleck in der Nordsee ist nicht der erste Zwischenfall beim französischen Ölkonzern Total. Der hat bei Umweltverbänden einen schlechten Ruf.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Frankreich - Sein dicker Schnurrbart verleiht Christophe de Margerie etwas Schrulliges. Und wenn er über seine Hobbys – Fernsehen und Motorräder – spricht, klingt das so bodenständig-bieder wie aus dem Mund eines Pariser Brasserie-Wirtes. Die Nation staunte, als der 60-Jährige 2007 Chef von Total wurde und damit einer der mächtigsten Männer Frankreichs. Mit einem Umsatz von 160 Milliarden Euro und 93 000 Angestellten in den Bereichen Öl, Erdgas und Chemie ist Total das größte Unternehmen des Landes und weltweit die Nummer fünf hinter Exxon, Chevron, Shell und BP.

 

De Margerie wurde eben schon immer falsch eingeschätzt. Der joviale Bonvivant stammt aus einer Familie von Botschaftern, Bischöfen und Industriellen; seine Mutter entstammt dem bekannten Champagnerhaus Taittinger. Ihr Sohn trat schon 1974 in das Unternehmen ein, dem er heute vorsteht; jahrzehntelang stand er aber im Schatten anderer Manager, die das Rampenlicht suchten. Er nicht: Ganz in der Tradition des Total-Konzerns, der 1924 aus der Iraq Petroleum Company hervorgegangen war, knüpfte er als Zuständiger für den Mittleren Osten diskrete Kontakte zu den höchsten Erdölpotentaten. Kurz vor seinem Aufstieg zum Konzernchef stellte ihn ein Pariser Richter im verzweigten „Öl-für-Lebensmittel“-Skandal unter Anklage.

Die Anwälte des Konzerns ringen um jeden Cent

Dass de Margerie dessen ungeachtet zum Boss ernannt wurde, sagt viel aus über die Firma und ihr einträgliches und nicht nur wegen des Öls schmieriges Kerngeschäft. Das Unternehmen Elf Aquitaine, 2003 in Total aufgegangen, war für seine Korruptionspraktiken berüchtigt. In Myanmar wiederum erklärte die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vor einigen Jahren, Total sei als Hauptabbauer der fossilen Landesreserven die „stärkste Unterstützung des Regimes in Rangun“. 2008 wurde Total für schuldig befunden, die Meeresverschmutzung durch den Öltanker Erika vor der Bretagne 1999 mitverursacht zu haben. Total zahlte hohen Schadenersatz und musste die Küste reinigen.

Laut Experten handelt der Konzern nicht unverantwortlicher als die Konkurrenten. Seine Raffinerien, Plattformen und Gaspipelines gelten als gut gewartet. Kritik gibt es an der generellen Haltung der Firma, die gar nicht erst vorgibt, ein grünes Gewissen zu haben. Greenpeace nennt Total ein „Unternehmen für nachhaltige Zerstörung“. In Toulouse starben 2001 bei der Explosion einer Fabrik 30 Menschen, Hunderte wurden verletzt. Und jedes Mal ringen die Anwälte um jeden Cent, den der Konzern an seine Umweltopfer zahlen muss. Das Leck in der Nordsee könnte für Total zum Desaster werden. Der Aktienkurs brach sofort um sechs Prozent ein. Sechs Milliarden Euro an Börsenwert lösten sich in Luft auf.