In das grün-rote Eigenlob zur Halbzeit der Landesregierung mischen sich an der Basiskritische Töne – vor allem, was Förderung des Nahverkehrs anbelangt.

Region Stuttgart - Selbstbewusst und mit Eigenlob durchaus nicht sparsam hat die grün-rote Landesregierung die Halbzeitbilanz ihrer Amtszeit gezogen – auch der Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne): „Vorrang für Busse und Bahnen“ gewähre die Landesregierung – so steht es in einer Werbebroschüre des Verkehrsministeriums. Doch an der Basis mehren sich Stimmen, die das völlig anders sehen. Hermann ist faktisch derjenige Verkehrsminister, in dessen Amtszeit das Land so wenig für die Busförderung ausgibt wie nie zuvor. Und: der Verkehrsminister mit grünem Parteibuch lässt die Finanzierung großer Schienenprojekten drastisch zurückfahren. Das bringt Vorhaben wie den Ausbau der Schönbuchbahn finanzielle Nöte.

 

In der mittelständisch geprägten Busbranche hat sich der Verkehrsminister in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit kaum Freunde gemacht. „Zu wenig und in die falsche Richtung“, lautet das Fazit des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) zu seiner Politik. Es gehe nicht an, „dass die Busförderung zum Steinbruch verkommt“, wetterte dessen Vorsitzender Klaus Sedelmeier, als bekannt wurde, dass das Land seine Zuschüsse auf 7,5 Millionen Euro zurückfährt. Damit nicht genug. Wie das Ministerium auf Anfrage mitteilt, sind für das kommende Jahr nur fünf Millionen Euro eingeplant.

Einsparprogramm von Vorgängern geerbt

Die Einsparungen, erläutert eine Sprecherin, seien von Schwarz-Gelb beschlossen worden. Immerhin sei in diesem Jahr bisher die Anschaffung von fast 200 neuen Bussen gefördert worden. Das sei zwar nur die halb so viel wie noch im Jahr 2010, doch in anderen Ländern sei dieser Bereich ganz gestrichen.

Zoff gibt es wegen der Förderpraxis ohnehin: Seit Hermann im Amt ist, fördert das Ministerium nur noch Niederflurbusse – wegen der Barrierefreiheit. In der Stadt sei das in Ordnung, findet der WBO. Doch auf dem Land – dort, wo mehr als die Hälfte des öffentlichen Nahverkehrs mit Bussen bestritten wird – gebe es oftmals noch nicht mal Bürgersteige, wo die Rampen der Niederflurbusse aufgelegt werden könnten. Höheren Überlandbusse seien auf dem Land praktikabler und könnten mit Hubliften nachgerüstet werden. Doch das Ministerium bleibt hart.

Ist Hermann die Schiene näher als der Bus?

Dem Minister sei die Schiene wohl näher, als der Bus, wird bei Busunternehmern gemunkelt. Doch neuerdings mehren sich auch Zweifel an Hermanns gutem Verhältnis zur Schiene. Sein Ministerium änderte unlängst die Förderkriterien in diesem Sektor. Zwar bleibt das Volumen des Programms mit 100 Millionen Euro unverändert hoch. Doch soll die Zahl der geförderten Projekte größer werden – was heißt, dass die Fördersumme im Einzelnen sinkt. Der Landesanteil beträgt künftig maximal die Hälfte – zuvor waren es 75 Prozent.

Für viele kommunal mitfinanzierte Großprojekte könnte dies der Genickbruch sein. Zum Beispiel die Taktverdichtung der Schönbuchbahn im Kreis Böblingen. Der Förderantrag wurde bereits vor anderthalb gestellt, die Bausumme beträgt bis zu 50 Millionen Euro. Nun müssten die Kommunen statt der erwarteten 12,5 Millionen Euro 25 Millionen Euro dazu beitragen. Der Landrat Roland Bernhard hofft auf eine Ausnahme, weil der Antrag schon so lange vorliegt. Und schielt in den Kreis Ludwigsburg. Der hat für die Strohgäubahn noch die alten Konditionen erhalten.

Enorme Belastung für die Kommunen

Doch heißt die neue Förderpolitik, dass Großprojekte wie die Stadtbahn zwischen Markgröningen und Remseck (Projektvolumen: geschätzte 500 Millionen Euro) oder die Verlängerung der S-Bahn bis in den Kreis Göppingen (je nach Variante bis zu 70 Millionen Euro) auf der Kippe stehen könnten. Der Verkehrsdirektor des Verbands Region Stuttgart, Jürgen Wurmthaler, steht nicht im Verdacht, ein Parteigänger jedweder Couleur zu sein. Doch auch er sieht Fragezeichen. „Was die kommunale Seite da aufbringen muss, ist enorm“, sagt er. Dabei seien es „die großen Maßnahmen, die neue Fahrgäste bringen“.

Unlängst ist darüber im Verkehrsausschuss der Region ein Streit entbrannt. Während CDU, Freie Wähler und FDP Kritik äußerten, verteidigten SPD und Grüne die Landesregierung. „Man denkt jetzt bei den Kommunen vielleicht eher nach, bevor ein Projekt gebaut wird“, sagte der Grünen-Sprecher Mark Breitenbücher, „und baut nicht nur, weil es Fördermittel gibt.“