Die Zwischenbilanz des ÖPNV-Pakts fällt nach drei Jahren gemischt aus: Während mehr Fahrgäste mit Bus und Bahn unterwegs sind, ist ein wichtiger Partner ausgestiegen.

Stuttgart - Mit dem 2014 geschlossenen ÖPNV-Pakt verfolgen Land, Stadt und Region Stuttgart sowie die Kreise rund um die Landeshauptstadt das Ziel, die Zahl der Fahrgäste in Bussen und Bahnen bis 2025 um 20 Prozent zu erhöhen. Die Partner sehen sich dabei auf einem guten Weg, wie sie nach dem jüngsten Treffen des Lenkungskreises und einer Sitzung des regionalen Verkehrsausschusses erklärten. Doch manches läuft noch nicht rund: Die Expressbusse der Region werden bisher nur schwach nachgefragt, und der Ausbau des P+R-Angebots macht keine sichtbaren Fortschritte.

 

Im Paket, das die Partner vor drei Jahren geschnürt haben, liegen zahlreiche Maßnahmen: Das Land startet im Dezember 2017 mit einem Teil des Metropolexpress-Systems, die Stadt Stuttgart treibt den Ausbau des Stadtbahnnetzes voran, die Kreise schreiben reihenweise neue Busverkehrsleistungen aus, die Region hat im Dezember 2016 die Relex-Busse gestartet und kümmert sich – als zweite Aufgabe – um ein P+R-Konzept für die Region. „Wir haben uns tatkräftig und erfolgreich unseren Aufgaben gewidmet“, sagt Regionaldirektorin Nicola Schelling. Allerdings teilen nicht alle Beteiligten diese positive Einschätzung.

Relex-Busse dünn besetzt

Die Expressbusse verkehren auf den Linien Kirchheim/Teck–Flughafen/Messe (X 10), Waiblingen–Esslingen (X 20) und Leonberg –Flughafen/Messe (X 60). Diese Tangentialverbindungen zum S-Bahn-Netz, die nur wenige Haltestellen haben, fahren in der Hauptverkehrszeit alle 30 Minuten, ansonsten im Stundentakt. Mit der Pünktlichkeit – nur 2,4 Prozent der insgesamt 26 100 Fahrten im ersten Halbjahr waren mehr als zehn Minuten verspätet – ist die Region ganz zufrieden, die Nachfrage „ist allerdings noch steigerungsfähig“, räumt der regionale Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler ein. Es gibt zwischen 230 und 688 Fahrgäste pro Tag auf jeder Linie, was laut Wurmthaler etwa zehn Kunden pro Fahrt bedeutet. Im Vorfeld hatte der VVS mit rund 1500 Fahrgästen täglich auf allen drei Linien gerechnet, die Universität Stuttgart sogar mit mehr als 7500.

Schonfrist bis 2019

Im Verkehrsausschuss waren sich alle Fraktionen einig, dass wie geplant über die Zukunft und den möglichen Ausbau des Expressbus-Systems erst im Jahr 2019 beraten werden soll. Für eine abschließende Wertung sei es noch zu früh, „weil wir noch kein Jahr auf der Straße sind“, sagte Wurmthaler. Während Grüne und SPD das Angebot als „durchaus erfolgreich“ beurteilten, gab es von CDU, Freien Wählern und Linken Kritik. „Wir geben dem System bis 2019 eine Chance“, sagte CDU-Regionalrat Rainer Ganske, „aber Akzeptanz und Nutzung liegen unterhalb unserer ohnehin geringen Erwartungen.“ Auch Bernhard Maier (Freie Wähler) sagte: „Wir halten durch bis 2019, aber das sind keine erfolgreichen Zahlen.“

Die P+R-Anlagen

Die Region hat zunächst Daten über Angebot und Auslastung für ein umfangreiches P+REntwicklungskonzept erhoben, die mittlerweile über die VVS-Auskunftsmedien abrufbar sind. Danach gibt es in der Region an 115 Haltestellen 224 P+R-Anlagen mit 17 500 Stellplätzen. Mit der Stadt Stuttgart wurde im Rahmen eines Pilotprojekts das Parkhaus Österfeld, in dem früher viele Fluggäste und Beschäftigte des nahen Gewerbegebiets parkten, für ÖPNV-Nutzer mit einer Kombination von Park- und Fahrschein reserviert. Zwar sind in der Region zusätzliche 1000 P+R-Plätze geplant, aber noch immer gibt es unterschiedliche Preise und Besitzverhältnisse. Wurmthaler sprach vom „Bohren dicker Bretter“ und sagte: „Auch wir wünschen uns, dass wir schneller vorankommen.“ Regionaldirektorin Nicola Schelling erklärte in ihrer Haushaltsrede, dass sie deshalb den Aufbau einer Mobilitätsagentur anstrebe, die „ausführende Kommunen und regionales strategisches Vorgehen vereint.“ Die Vorarbeiten seien „ein Schwerpunkt unserer Arbeit 2018“.

Allerdings mahnen OB Fritz Kuhn (Grüne) und Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) mehr und raschere Aktivitäten der Region an. Das ist mittlerweile auch die Stimmungslage im Verkehrsausschuss, wobei Grüne und SPD ihre Kritik verhaltener äußern als die anderen Fraktionen. „Wir sind nicht zufrieden“, sagte Ganske. „Das geht viel zu langsam“, assistierte Maier, „die Region muss mehr Gas geben." Beide sprachen sich dafür aus, dass die Region den Kommunen ein Angebot machen sollte, die Trägerschaft für P+R-Anlagen zu übernehmen. Bei Ausbau und Verbesserung dürfe es nicht in erster Linie um Anlagen an Stuttgarts Kesselrand gehen. „Wir müssen die Pendler möglichst früh und weit draußen zum Umstieg motivieren“, sagte Ganske

Fraktionen fordern mehr Tempo

Mit der Firma Bosch wurden im Rahmen eines Pilotprojekts rund 2500 Parkplatz-Belegungssensoren in elf P+R-Anlagen entlang der S 2 und S 3 im Rems-Murr-Kreis erprobt. Dieses Konzept, das der Echtzeit-Information für Autofahrer über freie Plätze diente, verfolgt Bosch aber nicht mehr. Es sei grundsätzlich nachgewiesen worden, dass das Prinzip funktioniere, sagte eine Sprecherin von Bosch. Allerdings habe das System, in dem erstmals Magnetfeld- und Radarsensoren miteinander verknüpft würden, einen „hohen Qualitätsanspruch, um damit Marktreife zu erlangen“, sagte die Sprecherin. Nach Informationen unserer Zeitung gab es aber auch Probleme: Die Sensoren waren oft defekt und zu teuer. Zudem gelang es nicht, die Information über freie Stellplätze auf der VVS-App und -Internetseite zeitnah zu platzieren. Bis Mitte November läuft der Versuch weiter. Die Region erhofft sich damit weiteres Datenmaterial, will die Fördergelder von avisierten 200 000 Euro aber nicht komplett auszahlen.

Automatisiertes Parken

Bosch begründet den Rückzug auch damit, dass man sich auf zwei andere Systeme konzentriere, die mehr Potenzial hätten. Da ist zum einen das automatisierte Parken in Parkhäusern, bei dem das Auto ohne Fahrer seinen Platz sucht. Im anderen System werden Daten über freie Stellplätze am Straßenrand gesammelt und das Auto per Navi dorthin dirigiert.