Österreichs Sozialdemokraten versinken immer tiefer in eine Affäre um manipulative Facebook-Seiten.
Wien - Er versucht tapfer zu wirken. Christian Kern, Bundeskanzler Österreichs und erst seit 18 Monaten Vorsitzender der altgedienten SPÖ, findet noch immer erklärende Worte, wenn es um die Einführung einer Erbschaftsteuer oder um die Festlegung einer Mietobergrenze geht. Dabei ist er und die alte Kanzler-Partei längst von einem gewaltigen Hurrikan umgeben, dessen Getöse alles übertönt und von dem niemand weiß, welche Zerstörung er anrichten wird. Sicher ist nur: Es geht sehr schmutzig zu.
Es geht um Facebook-Seiten, die extra für den Wahlkampf und gegen den Herausforderer, die konservative ÖVP, gestaltet wurden. Darauf sind die österreichischen Politiker in primitiven Posen zu sehen und so dargestellt worden, als wären sie allesamt von niedrigen Instinkten und reinem Machtkalkül getrieben. Aber auch rassistische und antisemitische Sprüche waren auf den seit Kurzem geschlossenen Facebook-Websites zu sehen. Beide Seiten beschäftigen sich mit dem neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der die vorgezogenen Wahlen in Österreich veranlasst hat und als haushoher Favorit gilt. Die Facebook-Seiten sollten Kurz diskreditieren. Die Facebook-Seiten „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ und „Wir für Sebastian Kurz“ stellen den Außenminister als „Fake-Basti“ und willfährigen Erfüllungsgehilfen des Ex-Kanzlers Wolfgang Schüssel dar. Aber auch Christian Kern bekommt sein Fett ab und wird als „Pizzakanzler“ bezeichnet.
Die Affäre kostet die Sozialdemokraten fast täglich einen Mitarbeiter
Hinter der Schmutzkampagne steckt ein Mann, der bereits für viele Wahlkämpfe der SPÖ zuständig war: der Israeli Tal Silberstein. Der Vertrag mit Silberstein wurde allerdings nach seiner Verhaftung in Israel am 14. August storniert. Ihm werden Bestechung im Zusammenhang mit einer Diamantenmine in Guinea und dubiose Immobiliendeals in Rumänien vorgeworfen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Silberstein hatte bis dahin aber bereits Spuren in der SPÖ hinterlassen, die erst jetzt zum Vorschein kommen. Bei der Kampagne ging es offenbar darum, bisherige Anhänger der rechtspopulistischen FPÖ davon abzuhalten, nun ihr Kreuz bei der ÖVP zu machen. Kurz wurde auf den Schmuddelseiten – im Gegensatz zu seiner Kampagne, die sich gegen Migration und politischen Islam richtete – als Verbündeter der „Flüchtlinge“ dargestellt. Auf der zweiten Webseite ging es darum, Kurz von der linken Seite aus anzugreifen und potenzielle Wähler aus diesem Spektrum umzustimmen. Laut der SPÖ belief sich das Honorar für Silberstein auf 400 000 Euro.
Die Affäre kostet die Sozialdemokraten nun fast täglich einen Mitarbeiter. Zurückgetreten ist bereits der SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler und ein leitender SPÖ-Mitarbeiter – und das in der wichtigsten Phase des Wahlkampfes. Offensichtlich arbeitete der leitende SPÖ-Mitarbeiter auch nach der Auflösung des Vertrags mit Silberstein mit dem Team rund um die umstrittenen Facebook-Seiten zusammen. Allerdings scheint sich dieses Team rund um die Schmutzkampagne, in dem auch viele Nicht-SPÖ-Leute waren, verselbstständigt zu haben. Jedenfalls ist die Kommunikation in der SPÖ komplett außer Kontrolle geraten. Kern selbst behauptet, dass er von den Facebook-Seiten nichts gewusst habe, und Silberstein bestätigt das.
Im Mittelpunkt steht der Versuch des Kanzlers, sich aus der Affäre zu ziehen
Doch das nützt wenig, denn klar ist trotzdem, dass die österreichischen Sozialdemokraten hinter der Kampagne stecken. Facebook selbst hat bisher Name und Adresse der Facebook-Seiten-Betreiber nicht genannt. Die SPÖ dringt nun auf die Veröffentlichung. Mittlerweile werden in Wien auch im Dunstkreis von anderen Parteien Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verdächtigt, als Maulwürfe, Überläufer und Verräter im Rahmen der Affäre mitgearbeitet zu haben. Immer wieder fällt der Name des PR-Beraters Peter Puller, der mit Silberstein zusammengearbeitet haben soll. Von Puller führen wiederum Verbindungen in die ÖVP, nämlich zu dem islamkritischen Ex-Grünen Efgani Dönmez.
Nun könnten die Auswirkungen für die SPÖ noch verheerender werden, als die Umfragen ohnehin schon seit Wochen prophezeien. Im Mittelpunkt stehen keine Wahlbotschaften, sondern der Versuch des Kanzlers, sich aus der Affäre zu ziehen. Umfragen zufolge liegt die ÖVP bei etwa 33 Prozent vorne und die SPÖ und die FPÖ etwa gleichauf bei 25 Prozent. Die kleineren Parteien, die Grünen, die liberalen Neos und die Liste Pilz stehen bei jeweils etwa vier Prozent.