Österreich will sich gegen die deutschen Pläne zur Wehr setzen, Migranten an der Grenze zurückzuweisen. Wien droht mit Kontrollen am Brenner in der Ferienzeit – und einer großen Zaunanlage.

München - Österreich hat die Seiten gewechselt. Noch vor Kurzem, solange es gegen Kanzlerin Angela Merkel ging, feierte die rechtspopulistische Koalition aus ÖVP und FPÖ demonstrativ den deutschen Innenminister Horst Seehofer und dessen Pläne für ein strengeres Grenz-Regime. Jetzt ist in Wien offenbar angekommen, was das bedeutet. Österreich, so fürchtet Bundeskanzler Sebastian Kurz nun, könnte „zu einem Auffanglager mitten in Europa“ werden, sollte Deutschland „eine große Zahl von Menschen nach Österreich zurückstellen“. Deshalb hat Kurz – so stellt er es dar – in einem Telefonat mit Merkel den Bundesinnenminister nach Wien zitiert.

 

Was Seehofer dort zu erwarten hat, haben Spitzenvertreter der österreichischen Regierung bereits einträchtig kundgetan – als Drohkulisse wenigstens, und zunächst für’s eigene Publikum. Man werde „keine Verträge zu Lasten unseres Landes und unserer Bevölkerung abschließen“, sagt Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Deshalb könne und werde es mit Deutschland exakt jene Vereinbarung nicht geben, auf welche es CDU und CSU anlegten. In deren Einigungspapier von Montag heißt es als Punkt 3: Sollten andere Länder die angestrebten Abkommen zur Rücküberstellung von Migranten ablehnen, werde deren „Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich“ stattfinden. Kickl sagt, er könne sich gar nicht vorstellen, wie eine solche Vereinbarung aussehen sollte – sie wäre ja „zum Nachteil Österreichs“.

Ferien-Stau als Druckmittel

Bundeskanzler Kurz (ÖVP) erklärt, sein Land sei „auf alle Szenarien vorbereitet“ und werde „sämtliche Maßnahmen ergreifen, die notwendig sind, um Schaden von Österreich abzuwenden“. Daher beabsichtige man, den von Deutschland ausgeübten Druck „an andere Länder weiterzugeben“. Konkretes wollten weder Kurz noch Kickl vor dem Treffen mit Seehofer ausplaudern, aber welcher Art solche „Maßnahmen“ sein könnten, lässt sich in Österreich bereits besichtigen: Kürzlich fand ein Großmanöver in der Steiermark statt, bei welchem Polizei und Bundesheer gemeinsam trainierten, wie sie an einem Trennzaun eine Masse hereindrängender Migranten zurückschlagen können. Innenminister Kickl sagt, man habe damit „zum Ausdruck gebracht, dass wir dieses Modell (mit Einsatz des Heeres) zum Einsatz bringen können, wo wir’s brauchen“.

Zum anderen hat Österreich angekündigt, bereits im Juli – ungeachtet der Ferien- und Reisezeit – zunächst für einige Tage die Grenzkontrollen am Brenner wieder einzuführen. Am Brenner ist seit einem Jahr auch eine Zaunanlage fertig, mit der Österreich die Passhöhe und damit die Grenze zu Italien abriegeln kann. Das Metallgeflecht ruht noch aufgerollt in Containern, kann aber – so heißt es – bei Bedarf sofort ausgefahren werden.

Dass es auf der Autobahn riesige Staus geben könnte, räumt Kanzler Kurz ein. Er hofft, dass dadurch aber der Schutz der EU-Außengrenzen schneller umgesetzt werde und „in der bisher falschen Migrationspolitik nun auch bei den Allerletzten in Europa ein schnelleres Umdenken einsetzt“.

Die Flüchtlingszahlen übrigens sind auch in Österreich deutlich zurückgegangen. Laut Innenministerium haben dieses Jahr bis Ende Mai 6113 Menschen um Asyl angesucht. Bei 10.678 Anträgen im gleichen Zeitraum des Vorjahrs bedeutet das einen Rückgang um beinahe die Hälfte: um 42,75 Prozent. Das ist auch der tiefste Stand in den letzten fünf Jahren. Kanzler Kurz sagte am Mittwoch im Österreichischen Rundfunk dennoch: „Die Zahlen sind immer noch deutlich zu hoch.“