Drei mal traf man sich zum Feiern beim Nord-Süd-Dialog. Nun wird die Partyreihe vor Gericht aufgearbeitet. Aus Baden-Württemberg kommen Ex-Premier Oettinger und Mitarbeiter als Zeugen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Hannover - Der Vermerk für den Chef der Stuttgarter Staatskanzlei las sich ziemlich besorgt. Beim geplanten „Nord-Süd-Dialog“ in Niedersachsen, klagte die zuständige Beamtin, sei die Beteiligung von Firmen aus Baden-Württemberg „derzeit noch sehr schwach“. Nur Porsche und eingeschränkt die EnBW wollten sich bei der großen Party im Flughafen Hannover präsentieren. Der Veranstalter bitte das Staatsministerium daher mitzuhelfen, weitere Unternehmen für einen Stand zu gewinnen; ein zusätzliches Sponsoring sei damit „nicht unbedingt“ verbunden. Andernfalls bestehe die Gefahr, „dass Baden-Württemberg eine schlechte Presse bekommt“, warnte die Verfasserin im November 2009: „Die Veranstaltung könnte als Triumphfeier von Christian Wulff dargestellt werden.“

 

Vier Jahre später ist Wulff von einem Triumph so weit entfernt wie nie. Der damalige niedersächsische CDU-Ministerpräsident, der ein halbes Jahr später zum Bundespräsidenten aufstieg, steht derzeit in Hannover vor Gericht wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. In einem parallel laufenden Prozess muss sich sein einstiger Regierungssprecher Olaf Glaeseker verantworten. Ihm wird sogar Bestechlichkeit vorgeworfen – just wegen jenes Nord-Süd-Dialoges, bei dem Niedersachsen so zu glänzen schien. Wegen Bestechung angeklagt ist der Veranstalter der insgesamt drei Glamourpartys in Stuttgart und Hannover, der Eventorganisator Manfred Schmidt. Der Vorwurf: Glaeseker habe zu Gunsten von Schmidt Sponsoren für den Nord-Süd-Dialog geworben und als Gegenleistung Gratisflüge und kostenlose Ferienaufenthalte im Gesamtwert von mehr als 12 000 Euro erhalten. Schmidt soll an den Großpartys einen sechsstelligen Betrag verdient haben.

Baden-Württemberg als Gegenbild

Für Glaeseker könnte sich nun rächen, dass er etwas zu emsig nach Sponsoren fahndete. Mit seiner Freundschaft zu Schmidt, sagte er jüngst in einem Interview, habe das nichts zu tun gehabt: Die Veranstaltungsreihe, für die keine Steuergelder ausgegeben werden sollten, sei im Interesse des Landes und des Ministerpräsidenten gewesen: „Es ging darum, dass Niedersachsen im Wettbewerb mit Baden-Württemberg gut aussah. Das ist uns gelungen.“ Wulff freilich will von der Sponsorensuche nichts gewusst haben und behauptet sogar, eine solche wäre nicht in seinem Sinne gewesen – was seinen einst engen Vertrauten in höchstem Maß irritiert. Am 10. Februar wird der Altbundespräsident als Zeuge vor Gericht erwartet.

Aber auch Baden-Württemberger müssen vor dem Landgericht, das zwanzig Verhandlungstage angesetzt hat, in den Zeugenstand: der damalige Ministerpräsident und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger am 24. Februar, sein damaliger Regierungssprecher und heutiger Landesstiftungschef Christoph Dahl bereits am 11. Februar, ebenso wie der damalige Leiter des Landesmarketings und heutige Schlösserchef Michael Hörrmann. Die Stuttgarter, das zeigt schon der bisherige Prozessverlauf, könnten als Gegenbild für die niedersächsische Praxis dienen – zwei mehr, einer etwas weniger.

Glamouröse Party im Römerkastell

Wie Wulff war Oettinger Schirmherr der Partyreihe, mit der das Verhältnis beider Bundesländer nach den Spannungen zwischen VW und Porsche entkrampft werden sollte. In lockerer Atmosphäre Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien miteinander ins Gespräch zu bringen – dieses Konzept Schmidts ging auch durchaus auf: Für die Treffen, 2007 und 2009 in Hannover und 2008 im Cannstatter Römerkastell, gab es viel Lob; Glaeseker sprach einst von „einer der attraktivsten Kommunikationsplattformen überhaupt“. Anders als in Niedersachsen aber hielt sich die Staatskanzlei in Baden-Württemberg bei der Sponsorensuche zurück: Sie wies landesnahe Unternehmen wie die LBBW, die EnBW oder die Messe Stuttgart zwar auf die Veranstaltung hin, überließ das Weitere aber Schmidt. Der war davon wenig angetan und musste eigens einen ortskundigen Kommunikationsberater engagieren.

Nur der oberste Landesvermarkter Hörrmann wahrte die Grenze nicht ganz: Weil er sich von dem Partymacher zu einem dreitägigen Aufenthalt in dessen Anwesen im französischen Banyuls-sur-Mer einladen ließ, nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Vorteilsannahme auf. Später wurde das durch eine Anzeige des Landes ausgelöste Verfahren gegen eine niedrige vierstellige Geldauflage eingestellt, ebenso wie das parallel eingeleitete Disziplinarverfahren; bei der staatlichen Schlösserverwaltung ist dem Beamten inzwischen ein Co-Chef zur Seite gestellt.

„Wir brauchen Firmen, wir brauchen Kohle“

Der einstige Regierungssprecher Dahl aber pochte penibel auf seinen Aufgabenbereich. Die Suche nach Sponsoren gehöre nicht dazu, beschied er den drängenden Schmidt, angeblich mit den Worten: „Ich bin nicht dein Fuzzi.“ Wenn der Partymacher das nicht akzeptiere, könne er sich ja bei Oettinger beschweren – dessen Rückhalts sich Dahl gewiss war.

Wie unterschiedlich Glaeseker und Dahl ihre Rolle verstanden, schilderte eine einstige Mitarbeiterin Schmidts als Zeugin im Prozess. „Wir brauchen Firmen, wir brauchen Kohle“, habe der Partymacher den Wulff-Sprecher am Telefon angefeuert. Immer wenn die Anwerbung von Geldgebern stockte, habe es geheißen: „Ich ruf den Olaf an“ oder „Lass mal, das macht der Olaf“. Sie habe sich damals gefragt, ob das in Ordnung und an höherer Stelle – namentlich Wulff – bekannt sei. Ganz anders, berichtete die Zeugin, habe der Oettinger-Sprecher agiert: Die Suche nach Sponsoren „war für ihn ein ,No-Go‘, er lehnte es strikt ab“. Da half es auch nichts, dass Schmidt Dahl vorhielt, er solle „sich mal ein Beispiel an Glaeseker nehmen“.

Heute kann sich der 60-Jährige bestätigt sehen, dass er das nicht tat – und ebenso wie Oettinger ganz gelassen zum Prozess nach Hannover reisen. Baden-Württemberger als Zeugen vor einem niedersächsischen Gericht – an diese Form des Nord-Süd-Dialogs hat 2009 gewiss niemand gedacht.