Zwei Brandbriefe sorgen für Unruhe in Paris. Die Armeeführung spricht von haltlosen „Putschfantasien“ und unterstreicht die politische Neutralität der Truppe.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Droht in Frankreich ein Bürgerkrieg? Zum zweiten Mal warnen französische Militärangehörige eindringlich vor dem „Zerfall“ des Landes und gewaltsamen Ausschreitungen. Wieder wurde der Brandbrief in der rechtsidentitären Zeitschrift „Valeurs Actuelles“ veröffentlicht. Und erneut distanziert sich die französische Spitze der Militärs und bezeichnet beide Schreiben als haltlose „Putschfantasien“. Die Veröffentlichungen schlagen allerdings hohe Wellen, denn Frankreichs Politiker befinden sich bereits mitten im Wahlkampf für die Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr. Einer der zentralen Streitpunkte ist die innere Sicherheit.

 

Die „zivilisatorischen Werte“ Frankreichs

Beide Briefe sind im selben Tenor verfasst. Das Militär sei bereit einzugreifen, um die „zivilisatorischen Werte“ Frankreichs zu schützen, heißt es. Präsidenten Emmanuel Macron und die Regierung werden aufgefordert, die Nation unter anderem vor dem „Islamismus und den Horden aus den Vorstädten“ zu verteidigen. Und weiter: „Wir sind bereit, Maßnahmen zu unterstützen, die den Schutz der Nation berücksichtigen.“ Unterzeichnet ist das erste Schreiben von 20 pensionierten hohen Offizieren der französischen Armee. Die Pensionäre suggerieren, dass sie den Rückhalt von mehr als tausend weiteren Militärangehörigen genießen würden. Beweise gibt es dafür keine.

Im zweiten offenen Brief, der in diesen Tagen erschienen ist, wird Präsident Macron vor Zugeständnissen an Islamisten gewarnt wird. Die hätten nur Verachtung und Hass für Frankreich übrig. Dieses Mal ist dem Schreiben allerdings keine Liste von Unterzeichnern angehängt, es erschien anonym. Die Urheber sollen demnach aktive Militärangehörige sein, die ihre Namen aus Angst vor Sanktionen nicht nennen wollen. Nach Angaben von „Valeurs Actuelles“ schlossen sich mehr als 145 000 weitere Menschen dem Aufruf an. Auch das ist eine nicht nachprüfbare Aussage.

Harsche Reaktion des Armeechefs

Generalstabschef François Lecointre reagierte schon scharf auf das erste Schreiben, verurteilte die „Putschfantasien“ und kündigte Disziplinarmaßnahmen gegen die Unterzeichner an. Der Aufruf spiegele „in keiner Weise die geistige Verfassung der heutigen Armee“ und ihrer 210 000 Mitglieder wider, betonte er. Und auch jetzt ließ die Reaktion des Generalstabschefs nicht lange auf sich warten. Lecointre forderte die anonymen Unterzeichner auf, die Uniformen abzulegen und ihre politischen Ansichten offen zu verteidigen. Vehement verteidigte er die politische Unabhängigkeit des Militärs.

In dieselbe Kerbe schlägt auch Premierminister Jean Castex. „Wenn sie denken, dass alles auf dem Spiel steht, sollen sie ihre Gesichter zeigen“, warf der Regierungschef den anonymen Unterzeichnern vor. Er vermutet, dass die Armee in den Wahlkampf gezogen werden soll und spricht von einem „politischen Manöver“ von Rechtsextremen.

Die Armee macht keinen Wahlkampf

Mit diesem Vorwurf zielt er auf Marine Le Pen, Chefin des extrem-rechten Rassemblement National und Präsidentschaftskandidatin. Sie begrüßte die offenen Briefe und rief die Militärs auf, sie bei der Wahl in einem Jahr zu unterstützen. Damit bringt sie allerdings fast die gesamte Politik gegen sich auf. Empört äußerte sich Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly über die Aussagen Marine Le Pens, die die politische Neutralität der Armee untergrabe. „Das Militär ist nicht dazu da, um Wahlkampf zu machen“, erklärte die Ministerin.

Noch nicht geäußert hat sich der Oberbefehlshaber der Streitkräfte: Präsident Macron. Zum Problem könnte für ihn werden, dass sein Verhältnis zum Militär sehr angespannt ist. Der Grund: im Sommer 2017 verkündete er rigide Sparmaßnahmen, woraufhin der angesehene Generalstabschef Pierre de Villiers empört zurücktrat. Seitdem kritisiert der ehemalige Fünf-Sterne-General immer wieder die Politik des Präsidenten. Seine Aussagen decken sich in manchen Teilen überraschend genau mit den Vorwürfen in den beiden Brandbriefen. Offen unterzeichnet hat Pierre de Villiers allerdings keinen von beiden.