Offener Brief des Sports Vereine brauchen dringend Entlastung in der Energiepreiskrise

Vereinsmanager Harald Link von der SV Böblingen im Sportstudio des Paladion: Die Energiekosten sind ohne staatliche Hilfe nicht mehr zu stemmen. Foto: Stefanie Schlecht

In einem offenen Brief, der von fast 600 Vereinen gegengezeichnet ist, wendet sich Geschäftsführer Harald Link von der SV Böblingen mit der Forderung an die Sportverbände in Baden-Württemberg, sich angesichts rasant steigender Energiepreise in der Politik für den organisierten Sport einzusetzen.

Nach der noch längst nicht ausgestandenen Corona-Pandemie ist vor der nächsten Krise. Die Preise für Energie und Strom gehen durch die Decke, davon betroffen ist auch der organisierte Sport. Mit einem offenen Brief, der einem Hilferuf gleichkommt, wenden sich rund 600 baden-württembergische Vereine an die Sportverbände des Landes, damit schon jetzt notleidende Vereine schnellstmöglich Unterstützung erhalten. Initiator: Harald Link, Vereinsmanager der SV Böblingen und Vizepräsident des Schwäbischen Turnerbundes.

 

Im dritten Entlastungspaket kommt der organisierte Sport nicht vor

Erste positive Reaktionen aus der Politik hat Link bereits vernommen, nachdem er zuvor mit großer Enttäuschung feststellen musste, dass Vereine und Verbände im dritten Entlastungspaket des Bundes nicht vorkommen. „Und damit der organisierte Sport, der größte nicht-staatliche Akteur in der Kinder- und Jugendarbeit, wie schon in der Corona-Krise bei der Politik mit seinen großen Problemen kein Gehör findet.“ Umso mehr begrüßt er den geplanten Gaspreisdeckel, für ihn ein kleines Licht am Ende des Tunnels. „Aber natürlich stellt sich die Frage, wie er ausgestaltet wird. Und ob eventuell ergänzende Hilfs- und Schutzmaßnahmen notwendig sind.“ Genau deshalb haben sich die Vereine in ihrer wachsenden Angst, diesmal nicht mit einem blauen Auge davonzukommen, an ihre drei oft uneinigen Sportverbände (Württemberg, Nordbaden, Südbaden) gewandt, um die Politik im Land und im Bund aufzurütteln. „Bevor alle Verordnungen und Gesetze geschrieben sind.“

Der 15-köpfigen Gruppe der Großsportvereine im Land, zu denen auch die SV Böblingen gehört und die immer in ständigem Austausch untereinander sind, war bereits im Juli klar, „dass da was auf uns zukommt und wir reagieren müssen“, blickt Link zurück. Wichtig ist ihm, „dass wir geschlossen auftreten und alle unsere Landesverbände für unser Anliegen gewinnen können“. Was auch gelungen ist. „Und was als solches ein nahezu historisches Ereignis darstellt – wenigstens in den bald 21 Jahren, die ich bei der SVB tätig bin.“

Steigerung der Gaspreise fast um das Neunfache

Die Lage ist ernst. Und das wird am Beispiel der SV Böblingen deutlich. Schon bei der Ankündigung, dass der Liefervertrag für Gas zum Ende des Jahres gekündigt wird, schwante Harald Link Böses. Und die folgende Preisinformation überstieg alle Befürchtungen: „Eine Steigerung der jährlichen Kosten für Heizung und Warmwasser in unseren vereinseigenen Anlagen wie das Paladion am Silberweg, die Tennisanlage im Zimmerschlag, das Tischtenniszentrum und auch der Bewegungskindergarten, dessen Träger wir ja sind, um das 8,74-fache, also um rund 300 000 Euro. Das ist von uns nicht zu stemmen.“

Selbst wenn die SVB 20 oder gar 30 Prozent ihres Verbrauchs einspart, bliebe immer noch eine Kostensteigerung von rund 500 oder 600 Prozent. „Und woher dieses Geld dafür kommen soll, weiß niemand.“ Eine massive Erhöhung der Mitgliedsbeiträge scheidet für den Vereinsmanager aus. „Sie würde nicht nur unserem sozialen Auftrag widersprechen, sondern wahrscheinlich auch zahlreiche Mitglieder aus dem Verein treiben.“ Mit der Folge, dass viele Strukturen im Sport, auch ehrenamtliche, nachhaltig zerstört werden und unwiederbringlich verloren sind.

Kalter Lockdown befürchtet

So wie der SV Böblingen geht es vielen anderen auch. „Ein Verein steht seit einigen Wochen ohne Stromlieferant da, muss den Strom extra am Terminmarkt einkaufen – zu extrem hohen Tagespreisen“, lässt Harald Link durchblicken. Die Alternative wäre, alle Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu streichen. Viele Preiserhöhungsschreiben seien aber noch gar nicht verschickt, damit ist es für ihn nur eine Frage der Zeit, „bis tatsächlich der erste Verein zu extremen Maßnahmen greift und den Betrieb in seinen Anlagen erheblich einschränkt oder Hallen und Sportzentren ganz schließen muss“. Für Link ein „kalter Lockdown“ mit den aus den beiden vergangenen Corona-Jahren bekannten schwerwiegenden Folgen. Damit ist klar: „Das betrifft nicht nur einzelne Vereine, das ist ein flächendeckendes Problem.“

Auch warme Duschen in den Hallen sind nicht sakrosankt

Dazu kommen die Sportangebote in städtischen Hallen, in denen die Kommunen das Sagen haben, die aber ebenfalls unter den Energiekosten für ihre Einrichtungen ächzen. Bei der Stadt Böblingen gibt es dazu eine Arbeitsgruppe, die Vereine wurden eingeladen, stehen in engem und gutem Kontakt. Thema: die Selbstverpflichtung des Sports, Energie einzusparen. „20 Prozent kriegen wir hin, 30 sind ambitioniert“, so Link. „Aber wir sind dabei, alles zu optimieren, um den Verbrauch schnellstmöglich zu reduzieren.“ Bis zu den Überlegungen, warme Duschen in den Hallen abzustellen und die Grundtemperatur abzusenken. Alles wird hinterfragt. Denn Harald Links Sorge ist wohlbegründet: „Möglicherweise werden nach der bereits erfolgten Schließung von einzelnen Bädern erst viele weitere Schwimmhallen und im nächsten Schritt die kommunalen Sporthallen folgen.“ Vereinstraining, Sportunterricht, Schwimmkurse – alles würde ausfallen, bis es wieder bezahlbare Energie geben würde.

Der Optimismus bleibt

„You’ll never walk alone“ müsse deshalb auch für den organisierten Sport gelten, bezieht sich Harald Link auf ein Zitat von Bundeskanzler Olaf Scholz, setzt dabei auf den Zusammenhalt und die Solidarität in der Corona-Zeit. Und hat gleichzeitig seinen Optimismus nicht verloren: „Ich weiß zwar noch nicht wie, aber wir schaffen auch das.“

Schließung von Sportstätten vermeiden

Finanzielle Entlastung
 Bereits bei ihrer Herbstkonferenz in München forderten die Sportverbände der 16 Bundesländer und der Deutsche Olympische Sportbund eine Deckelung der Energiekosten. Die Sportvereine und Verbände in Deutschland bräuchten eine spürbare finanzielle Entlastung, besonders nach den Einschränkungen von mehr als zwei Jahren Pandemie.

Wirtschaftliches Überleben
In den nächsten Monaten geht es vor allem darum, Sport weiterhin zu ermöglichen, die Schließung von Sportstätten zu vermeiden und das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Daher müssten die Deckelung der Energiekosten und wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen kurzfristig kommen, um Existenzen zu sichern, eine drohende Kostenexplosion zu verhindern und den Vereinen die notwendige Planungssicherheit zu geben.

Keine Schließungen
Die Landesregierungen und Kommunen in Deutschland werden aufgefordert, energiebedingte Schließungen von Sportanlagen und Schwimmbädern zu vermeiden. Bei Fördermaßnahmen für nachhaltige Investitionen zur Einsparung von Energiekosten sei der organisierte Sport ebenso zu berücksichtigen.

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