Offener Brief gegen Oberbürgermeister Kampf um Vaihinger Ressourcen geht in nächste Runde

Die Grundschule Aurich sorgt für Streit in Vaihingen. Die Bedeutung dieser Debatte reicht weit über die Stadtgrenzen hinaus. Foto: Simon Granville

Im Vaihinger Ortsteil Aurich muss eine Grundschule interimsweise schließen – in einem offenen Brief entlädt sich die Kritik am OB. Der Konflikt an der Enz zeigt ein Phänomen, das im gesamten Kreis wächst.

Ludwigsburg : Emanuel Hege (ehe)

„An welcher Stelle kann weniger mehr sein?“, fragte Vaihingens Oberbürgermeister Uwe Skrzypek Anfang dieses Jahres rhetorisch in Richtung der Vaihinger Bürger. Mehr noch als andere Kommunen im Landkreis muss die Stadt an der Enz priorisieren, sparen und streichen. Unter Vaihinger Lokalpolitikern und Bürgern macht sich die Sorge breit, dass dadurch die kleineren Ortsteile wie Aurich, Ensingen, Gündelbach und Riet abgehängt werden. Ein genauer Blick nach Vaihingen lohnt sich, denn die Sorge, dass wegen knapper Kassen Lebensqualität verloren geht, teilen viele Menschen im Kreis.

 

Doch von vorne: Die Grundschule im Vaihinger Teilort Aurich muss interimsweise schließen, was harmlos klingt, ist jedoch der zwischenzeitliche Höhepunkt des Konfliktes zwischen Uwe Skrzypek und einigen Gemeinde- und Ortschaftsräten. Die kritisieren Skrzypek schon länger für seinen Sparkurs und haben nun die Befürchtung, dass die Grundschule Aurich nicht nur interimsweise, sondern aus Kostengründen für immer geschlossen werden könnte.

An einigen Stellen darf nicht gespart werden

Am Montagabend haben die Ortsvorsteher von vier Teilorten einen offenen Brief an den Oberbürgermeister verschickt. „Uns allen ist bewusst, dass gespart werden muss und wir uns nicht mehr alle Wünsche erfüllen können“, heißt es in dem kritischen Brief. Dennoch gebe es Bereiche in den Teilorten, an denen festgehalten werden müsste. Die funktionierende Infrastruktur mit eigenen Feuerwachen, eigenen Verwaltungsstellen, Schwimmbädern und Sporthallen – „die kulturelle Eigenart des jeweiligen Ortes“ – müsse erhalten bleiben. Trotz knapper Kassen.

Während in der Kernstadt in „nicht dringend notwendige“ Radwege oder in die Planung der Gartenschau investiert werde, liefen die Teilorten Gefahr, dass Grundschulen geschlossen werden, monieren die Ortsvorsteher. Die Bürger seien verunsichert, würden auch um Sportstätten und Friedhöfe bangen. Die Ortschaften dürften nicht vernachlässigt werden, heißt es in dem Brief zusammenfassend.

Die Bedeutung dieses offenen Schreibens geht weit über die Stadtgrenzen Vaihingens hinaus. In Zeiten defizitärer Stadtkassen geht in vielen Kommunen die Sorge um, zurückstecken zu müssen und Lebensqualität einzubüßen. Besonders in Kommunen des ländlichen Raums wächst die Angst vor einem langsamen Abstieg.

„In der Perlenkette an Krisen der vergangenen Jahre sind wir bei der jüngsten angekommen: die Krise der kollabierenden öffentlichen Haushalte“, sagt Uwe Skrzypek. Die beginnt beim 60-Milliarden-Loch der Bundesregierung, zieht sich über die Länder, Landkreise bis in die Kommunen. Diese finanzielle Krise ist Grund für die Schärfe des aktuellen Konflikts in Vaihingen.

Vaihingen hat schlechte Voraussetzungen

Auch in Ludwigsburg zeigte sich bereits diese neue Schärfe. Obwohl der gesamte Gemeinderat fest hinter dem Sparkurs der Stadt steht, gibt es immer wieder heftige Diskussionen. Beispielsweise um den Gewerbesteuersatz, welche Kultur gefördert wird, welche Projekte priorisiert und welche vernachlässigt werden. Das alles ist jedoch erst der Anfang, wohl schon in diesem Jahr werden in immer mehr Kommunen immer härtere Ressourcenkämpfe aufkommen.

In Vaihingen sind diese Kämpfe schon früher und massiver aufgetreten, Grund sind die schlechten Voraussetzungen vor Ort. Vaihingen hat schon seit Längerem vergleichsweise wenig Steuereinnahmen, mit neun Ortsteilen aber gleichzeitig einen komplexen Aufbau. Ein Vergleich: Während die Stadt an der Enz mit rund 14 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen neun Teilorte managt, sind es in der etwa gleich großen Stadt Ditzingen 70 Millionen Euro Gewerbesteuer für drei Teilorte.

Auch er wolle lebendige Ortschaften mit guter Infrastruktur, kommentiert Skrzypek den offenen Brief und die Kritik an seiner Person. Er betont jedoch auch seinen Spar-Leitspruch: „Wer glaubt, dass alles so bleibt, wie es ist, nur weil man nichts verändert, hat die Evolution und Betriebswirtschaft nicht verstanden.“ Die kommunale Infrastruktur müsse angepasst werden, „das müsste mittlerweile jedem klar sein“, sagt der Oberbürgermeister. Das betreffe auch die Schulen. Mit Blick auf die Schülerprognosen sei die Grundschule Aurich aber ein stabiler Standort, sagt Skrzypek. Das Schicksal kleiner Schulen wie dieser hänge jedoch an der Verschiebung der Schülerzahlen, „wohin die Eltern ihre Kinder in Zukunft schicken“.

Dann feuert der OB noch eigene Kritikpunkte in Richtung der Briefschreiber. Er versuche immerhin Lösungen für die Zukunft zu finden, die vermisse er von Seiten seiner Kritiker, merkt der OB spitz an. Laut Skrzypek würden die Ortsvorsteher mit dem Brief zudem Stimmung gegen die vermeintlich privilegierte Kernstadt machen. „Das Narrativ der Teilorte der zweiten Klasse ist fürchterlich“, sagt der OB. Alle Bürger Vaihingens würden sich auf Augenhöhe begegnen, es brauche Lösungen mit und nicht gegen die Teilorte.

Vaihingen zeigt, weniger ist mehr. Weniger Geld bedeutet mehr Konflikte auf kommunaler Ebene. Wichtig ist, dass die Herausforderungen und Diskussionen nicht den Zusammenhalt der Bevölkerung gefährden – immerhin darin sind sich alle Seiten einig.

Hintergründe zur Grundschule Aurich

Der Auslöser
 Vor kurzem informierte die Vaihinger Stadtverwaltung, dass in der Grundschule in Aurich die Brandschutzauflagen seit 2005 nicht erfüllt werden. Die Schüler müssen nun interimsweise woanders unterkommen. Ortsvorsteher und Gemeinderäte waren entsetzt.

Das Problem
 Die nötigen Brandschutzarbeiten könnten kurzfristig erledigt werden – aber nur für drei Klassen. Aktuell beherbergt die Grundschule vier Klassen, eine im eigentlich ungeeignetem Dachgeschoss. Damit es weiterhin vier Klassen gibt, bräuchte es ein viel größeres und teureres Verfahren. Zwar sei die Zukunft Grundschule laut Uwe Skrzypek „nicht akut gefährdet“, die Sorge vor einer Schließung ist jedoch groß. 

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