Zur Flüchtlingspolitik melden die Oberbürgermeister von Ulm, Reutlingen, Baden-Baden, Heilbronn und Pforzheim ihre Forderungen an Kretschmann und de Maizière. Initiiert hatte das Schreiben der Pforzheimer Oberbürgermeister Gert Hager (SPD).

Stuttgart - Die Flüchtlingsthematik gewinnt jeden Tag an Dynamik. Jetzt haben sich fünf Oberbürgermeister von Groß- respektive kreisfreien Städten aus dem Land in einem Brandbrief an den Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) gewandt. Sie stünden „uneingeschränkt zu unserer humanitären Verpflichtung gegenüber all den Menschen, die in Not zu uns kommen“, schreiben die Rathauschefs. Doch „ohne umfassende und zielgerichtete Unterstützung durch Bund und Land werden wir schon bald an Grenzen stoßen“, legen sie dar. „Die Folgen eines Scheiterns mögen wir uns alle nicht ausmalen.“

 

Angeregt wurde der Vorstoß vom Pforzheimer Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) nach dem zweiten Flüchtlingsgipfel in Stuttgart. Unterschrieben haben zudem Ivo Gönner und Harry Mergel, die beiden SPD-Stadtoberhäupter von Ulm und Heilbronn, die der SPD nahestehende Rathauschefin in Reutlingen, Barbara Bosch, sowie der Erste Bürgermeister von Baden-Baden, Werner Hirth (CDU). Sie sehen sich als die Vertreter von Großstädten ohne Standort einer Erstaufnahmestelle, anders als Karlsruhe, Mannheim oder Heidelberg.

Der Alarm richtet sich vor allem an den Bundesminister

Freiburg hat nicht unterschrieben, weil dort als Vorstufe zu einer regulären eine so genannte bedarfsabhängige Erstaufnahmestelle (BEA) aufgebaut wird und der OB Dieter Salomon (Grüne) als Vertreter des Städtetags – anders als die verhinderte Verbandspräsidentin Bosch – selbst beim Flüchtlingsgipfel präsent gewesen sei und in dem Schreiben keine neuen Gesichtspunkte habe erkennen können, wie es im Freiburger Rathaus heißt. Ähnliches gilt für Stuttgart, das den Appell-Initiatoren ebenfalls eine Absage zuteil werden ließ. Eigentlich hätte ein solcher Appell an die Bundeskanzlerin adressiert werden müssen, heißt es im Stuttgarter Rathaus.

In Pforzheim wird darauf verwiesen, dass das Alarmschreiben vor allem auch an den Bundesinnenminister gesandt worden sei. Die jüngsten Entwicklungen gäben „Anlass zur Sorge, dass zunehmend Aufgaben, die Bund und Land nicht schultern können, auf die Kommunen verlagert werden“, liest de Maizière in der Depesche. Die Unterzeichner trügen vor Ort die Verantwortung „für die Menschen, die zu uns kommen und für unsere Bürgerinnen und Bürger, ohne die eine gelingende Integration nicht möglich ist.“

Forderung ans Land, alle Aufgaben der Erstaufnahme zu erledigen

Vom Bund erwarten die Stadtoberhäupter eine deutlich beschleunigte Bearbeitung der Asylanträge und die Anerkennung weiterer Länder als sichere Drittstaaten. Das Land sei – unter anderem – verantwortlich dafür, dass alle Aufgaben im Rahmen der Erstaufnahme auch erledigt werden; dass weitere Erstaufnahmeplätze geschaffen werden und Asylbewerber ohne begründete Aussicht auf ein dauerhaftes Bleiberecht in einer Erstaufnahme bleiben. Natürlich geht es in dem Forderungskatalog auch ums Geld: Gefordert wird eine Spitzabrechnung der Unterbringungskosten sowie eine kostendeckende Erstattung weiterer Leistungen der Kommunen.

Die Unterzeichner fordern auch, dass alle Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Asylbewerbern berücksichtigt werden müssten.

Die Flüchtlinge aus Syrien sind derzeit die stärkste Gruppe

Von den im Juli im Land angekommenen Flüchtlingen muss Baden-Württemberg 7065 aufnehmen. Im Juni waren es noch 4900. Insgesamt hat der Südwesten seit Jahresbeginn 29 100 Zugänge zu verzeichnen. Dabei werden Flüchtlinge aus Syrien allmählich die stärkste Gruppe. Im Juli kamen allein fast 1900 Syrer ins Land, sie stellen mit 16 Prozent hinter den Kosovaren mit 16,2 Prozent das größte Kontingent. Kosovaren streben aber kaum mehr ins Land; nachdem im Februar noch mehr als 2000 ankamen, waren es im Juli nur noch 96. Vom Balkan kamen während der ersten sieben Monate gut 25 Prozent aller Flüchtlinge ins Land, im Juli waren es gut 30 Prozent der Ankommenden.

Derzeit sind laut Integrationsministerium rund 15 000 Flüchtlinge in einer Erstaufnahmestelle untergebracht, diese sind inzwischen auf 13 Städte im Land verteilt.