Das offene Bücherregal ist eins der erfolgreichsten Projekte der Bürgerstiftung Backnang, die seit zehn Jahren arbeitet. Ehrenamtliche Paten betreuen die kleine Freiluft-Bücherstube.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Unappetitliche Kost wird postwendend entfernt, radikal aussortiert und entsorgt. Bücher, die Gewalt verherrlichen, oder pornografische Schriften haben nämlich nichts verloren in dem offenen Bücherregal, das die Bürgerstiftung Backnang mit einigem Erfolg seit dem Jahr 2011 in der Fußgängerzone betreibt.

 

Rund ein Dutzend Paten betreuen die Reste-Rampe für Romane, Reiseführer und Co. Christiane Balzer (60 Jahre) und Gerhard Dannwolf (77) sind zwei dieser Ehrenamtlichen, die regelmäßig vorbei schauen – und sie können Geschichten erzählen: von Menschen, die massenhaft Bücher entsorgen, von Leuten, die die Regale radikal leer räumen oder Schriftstücke ablegen, die kaum jemand brauchen kann. Vergilbte Reparaturanleitungen für alte Autos zum Beispiel, sagt Christiane Balzer, die Gattin des Ersten Bürgermeisters der Stadt, der die Idee für das Bürgerregal hatte.

Veraltete Fachliteratur für Architekten – raus damit!

Gerhard Dannwolf hat einen Blick für solche Bücher. Er ist an diesem Vormittag kaum angekommen beim Regal auf dem Obstmarkt und hat bereits so ein Druckwerk in den Händen: veraltete Fachliteratur für Architekten – raus damit! Beliebt seien bei der Kundschaft, die tags und nachts vorbei schaut, besonders Reiseführer, die seien immer ganz schnell wieder weg, erzählen die Paten.

Ein Mann, geschätzt Mitte 60, stöbert seit geraumer Zeit in den Regalen und berichtet, dass er sich alle zwei Wochen Nachschub hole, immer mehrere Bücher mit nach Hause nehme, lese und dann daheim ins Regal stelle. „Mein ganzes Haus ist voll mit Büchern“. Eigentlich, sagt Christiane Balzer, seien die Backnanger Bürger aufgerufen ein Buch zu bringen und dafür ein anderes ins offene Regal zu stellen. Das Angebot sei mitunter übergroß. Deshalb habe sie kein Problem damit, wenn Leseratten sich ordentlich eindecken. Die wichtigste Regel steht auf einem Schild geschrieben: „Nehmen Sie nicht das letzte Buch, ohne dafür eins hineinzustellen“.

Der pensionierte Schulleiter Schielke ist Vorsitzender

Ulrich Schielke ist der Vorsitzender der Bürgerstiftung, die vor genau zehn Jahren ins Leben gerufen worden ist. Der pensionierte Schulleiter sagt, mit dem Bürgerregal sein ein „kommunikativer Ort“ mitten in der Stadt geschaffen worden. Die Stiftung wolle die Menschen zum Lesen anregen und erreichen, „dass sie Bücher wertschätzen, nicht wegwerfen“. Mit Blick auf dem Mann, der nach wie vor im Regal stöbert, könnte man sagen: Ziel erreicht.

Die Patin wird mitunter selbst fündig. Sie durchsuche gezielt, wie viele Stammkunden des Regal. Christiane Balzer hat ein Faible für Bücher über Geografie und Botanik. Einmal habe sie einen schönen Zufallsfund gelandet und einen Bildband über ihre Heimatstadt Sinsheim mitgenommen, herausgegeben vom langjährigen Freund einer Bekannten. Gerhard Dannwolf indes trägt nie Bücher heim, denn „ich lese nur noch E-Books“. Einmal habe er allerdings einen ganzen Stapel eingepackt: lauter Strickbücher. Diese Fachliteratur habe er dann in ein Geschäft für Strickwaren geschleppt. Die Paten denken halt immer mit. In dem Geschäft, sagt Herr Dannwolf, seien die Bücher dann unter das strickende Volk gebracht worden – und im offenen Bücherregal war wieder Platz für Nachschub.

Zehn Jahre Bürgerstiftung

Kapital
Die Bürgerstiftung ist 2007 gegründet worden und verfügt über ein Kapital von rund 300 000 Euro. Bis dato wurden etwa 64 000 Euro Erträge ausgeschüttet. Ferner wurden rund 182 000 Euro Spendengelder gesammelt.

Zweck
Die Stiftung will unter anderem junge Menschen und Senioren unterstützten, die Kunst, die Kultur und den Sport fördern.

Projekt
In diesem Jahr finanziert die Stiftung der Backnanger Tafel ein neues Kühlfahrzeug, das am 22. Mai übergeben wird.