Der Ministerpräsident hat in der Reihe seiner Kreisbesuche in Baden-Württemberg jetzt den Stadtkreis Stuttgart besucht – und Wünsche zur Prüfung mitgenommen. Einem Fraktionschef wollte er dabei „kräftig einen Zahn ziehen“.

Stuttgart - Zum Schluss wurde es eng. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) musste zum Flieger. Vorher hatte er in der Reihe seiner Kreisbesuche vier Stunden lang die Entwicklungen und die Wünsche im Stadtkreis Stuttgart ausgelotet. „Manchmal bin ich halt auch Ministerpräsident“, sagte Kretschmann zum Terminplan. Und das hatte er im kommunalpolitischen Gespräch mit den Fraktionschefs im Rathaus auch anders klargemacht. Er nahm jedoch knapp ein Dutzend Wünsche und Anregungen mit und versprach Rückmeldung.

 

OB Fritz Kuhn (Grüne) skizzierte kurz wichtige Themen, ließ aber eher den Gemeinderat zu Wort kommen. Ausdrücklich wies er darauf hin, dass man beim Klimaschutz die Mitwirkung des Landes brauche. Auch dessen Gebäude sollten auf den Dächern und an den Fassaden begrünt werden. Das sei wichtig, um dem zunehmenden sommerlichen Hitzestress zu begegnen.

Wenig Chancen für die Nahverkehrsabgabe

Alexander Kotz (CDU) hob eine Gemeinsamkeit von Kretschmann und sich selbst hervor: dass man „deutlich mehr Wohnungen“ für nötig halte, der eine im Land, der andere in Stuttgart. Im Rathaus sei man sich beim Bauen in Außenbereichen aber nicht einig. Kotz: „Ob ein Acker in Waiblingen zugebaut wird oder in Stuttgart, ist für das Weltklima doch erst einmal nicht ganz so ausschlaggebend.“ Kretschmann tappte nicht in die Falle: „Wo Sie bauen, darüber dürfen Sie selbst streiten und entscheiden.“ Die Bauleitplanung sei ein Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung.

Andreas Winter (Grüne) redete darüber, „dass wir eine irrsinnige Kapazitätserweiterung im öffentlichen Nahverkehr brauchen“, die erst mal finanziert werden müsse. Kretschmann kam also auf die Nahverkehrsabgabe zu sprechen, die starke Kräfte im Gemeinderat befürworten, deren Einführung das Land aber ermöglichen müsste. Dafür sei der Koalitionspartner nicht zu haben, sagte Kretschmann, was er nicht verstehe, denn niemand wolle die Kommunen ja zur Einführung verpflichten. Höchstens vorstellbar wäre ein Deal, bei dem die CDU von den Grünen auch etwas bekommt. Kretschmann: „Das muss ich ausloten.“

Stuttgart 21 will Kretschmann jetzt fördern

Kontrovers wurde es beim Thema EnBW. Martin Körner (SPD) wünschte, der Konzern solle sein Baugelände im Stöckach an die Stadt verkaufen oder sich andernfalls zu einer höheren Quote von geförderten Wohnungen im Entwicklungsgebiet verpflichten. Und ob es denn sein könne, dass die Stadt mit dem Landesunternehmen im Streit um Energienetze bei Gerichten sei, derweil die Energiewende in den Sand gesetzt werde? Die Intention war, dass Kretschmann auf die EnBW Einfluss nimmt, die ihr Handeln mit dem Aktienrecht begründe. Kretschmann staunte, dass das Aktienrecht angeblich dem Grundgesetz mit dem Recht auf Wohnen widerspreche. Er sei nicht Aufsichtsratsmitglied. Nur weil das Land eine Beteiligung habe, könne und dürfe er nicht im operativen Geschäft der EnBW rumstochern: „Den Zahn muss ich Ihnen mal richtig kräftig ziehen, Herr Körner.“

Hannes Rockenbauch (SÖS) insistierte. In Sachen Energienetze gehe es doch nicht ums operative Geschäft. Kretschmann möge außerdem den Verkehrsminister stärken, damit dieser die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs verbessern könne. Kretschmann konterte. Ob man im Umfeld des Bahnhofs noch „mehr machen“ könnte, könne und solle der OB zwar wirklich mit dem Minister besprechen. Was ihm aber die Hardcore-Gegner von Stuttgart 21 „ins Ohr blasen“ wollten, wisse er alles. Die Gegner hätten den Volksentscheid verloren. „Der Käs ist gegessen, die Katz den Baum rauf. Ich bin jetzt ein Förderer des Projekts, nicht mehr Gegner.“

Der Regierungschef sagt, er liebe Stuttgart

Thomas Adler (Linke) warb dafür, dass das Land den Kommunen die Deckelung der Mietpreise und bessere Zugriffsmöglichkeiten bei der Zweckentfremdung von Wohnraum ermöglicht. Zu Letzterem will Kretschmann intern nachfragen. Den Wunsch von Rose von Stein (Freie Wähler), das Land möge die Schulen – etwa für die Schulsozialarbeit – besser ausstatten, beantwortete er auch mit dem Hinweis, das Land könne aus finanziellen Gründen nicht überall die Standards hochfahren.

Dann endete der Besuch, der mit einem Rundgang in der ehemals königlichen Villa Berg begonnen hatte, wo Kretschmann von Königin Olga und ihrem Hofstaat begrüßt wurde. Die Stadt hatte dafür Petra Spindler und Gefährtinnen von der Gruppe Hochadel mit ihren Kostümen gebucht. Kretschmann wurden die geplanten Maßnahmen in Villa und Park, die beide sanierungsbedürftig sind, mit Kosten von 90 Millionen Euro vorgestellt. Er zeigte sich beeindruckt. Als er Stunden später das Rathaus verließ, war ihm eine andere Botschaft auch noch wichtig: dass er wegen Studiums und Politik die meiste Zeit seines Lebens in Stuttgart verbracht habe, die Stadt kenne und liebe, deren Charme sich manchmal nicht sofort zeige.